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Metro 2034

Metro 2034

Titel: Metro 2034 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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mit dem schweren Anzug abzufinden -auf diesem Mond herrschte nämlich eine erhöhte Schwerkraft -sowie mit dem Gedanken, dass sie nun über viele Kilometer hinweg die einzigen Lebewesen sein würden.
    Weder Wissenschaft noch Science-Fiction haben die Zukunft voraussehen können, dachte der Alte. Im Jahr 2034 würde der Mensch längst die Hälfte der Galaxis oder zumindest sein eigenes Sonnensystem erobert haben, hatte man Homer in seiner Kindheit versprochen. Doch waren sowohl die Autoren von Zukunftsromanen als auch die Wissenschaftler stets davon ausgegangen, dass die Menschheit rational und konsequent handeln würde. Als bestünde sie nicht aus ein paar Milliarden träger, leichtsinniger und genußsüchtiger Individuen, sondern wäre eine Art Bienenstock, begabt mit kollektiver Vernunft und gleichgerichteter Willenskraft; als hätte sie mit der Eroberung des Weltraums irgendwelche ernsthaften Absichten gehabt. Stattdessen waren sie des Spiels überdrüssig geworden und hatten das ganze Unternehmen auf halbem Wege hingeschmissen, um sich erst der Elektronik, dann der Biotechnologie zuzuwenden, ohne auch nur auf einem dieser Gebiete halbwegs beeindruckende Ergebnisse zu erzielen. Höchstens vielleicht in der Kernphysik.
    Und nun war er hier, ein flügellahmer Astronaut, überlebensfähig allein dank dieses riesigen Weltraumanzugs, ein Fremder auf seinem eigenen Planeten, bereit, die Tunnel zwischen der Kachowskaja und der Kaschirskaja zu erobern. Alles andere konnten er und die anderen Überlebenden vergessen. Die Sterne bekamen sie sowieso nicht zu sehen.
    Seltsam: Hier, jenseits der gelben Linie, stöhnte sein Körper unter eineinhalbfacher Schwerkraft, doch sein Herz war schwerelos. Tags zuvor, als Homer sich vor dem Marsch zur Tulskaja von Jelena verabschiedet hatte, hatte er damit gerechnet, dass er wieder zurückkehren würde. Doch als Hunter ihn zum zweiten Mal als Begleiter auswählte, begriff er: Diesmal war die Sache ernst. So oft hatte er um eine Prüfung, eine Erleuchtung gebeten - nun war er endlich erhört worden. Zu kneifen wäre dumm und unwürdig gewesen.
    Er wusste, dass eine Lebensaufgabe sich nicht einfach als Nebenjob erledigen ließ. Das Schicksal ließ sich nicht hinhalten nach dem Motto: Das kommt schon noch, aber vielleicht etwas später, nächstes Mal . Ein nächstes Mal würde es wahrscheinlich nicht geben, und wenn er sich jetzt nicht entschied, wofür sollte er dann noch leben? Sollte er die Frist, die ihm bis zum Ende blieb, wirklich als der unbekannte Nikolai Iwanowitsch fristen, als Stationsnarr, als alter, sabbernder, erratisch grinsender Märchenonkel?
    Doch um sich von einer Karikatur des Homer in dessen wahren Erben zu verwandeln, von einem Liebhaber der Mythen in deren Schöpfer, um sich aus der Asche als neuer Mensch zu erheben, musste er zuerst sein altes Ich verbrennen.
    Er glaubte, wenn er immer weiter an sich zweifelte, seiner Sehnsucht nach Heim und Frau nachgab, ständig in die Vergangenheit zurückblickte, würde er unweigerlich etwas äußerst Wichtiges, das ihm bevorstand, übersehen. Er musste einen Schnitt machen.
    Von dieser neuen Expedition würde er, wenn überhaupt, kaum unversehrt zurückkehren. Natürlich tat es ihm leid um Jelena. Anfangs hatte sie gar nicht glauben wollen, dass Homer bereits nach einem Tag gesund zurückgekommen war. Und erfolglos hatte sie versucht ihn von dieser Reise ins Nichts abzuhalten. Als sie ihn dann erneut unter Tränen verabschiedete, versprach er ihr nichts mehr. Er drückte sie an sich und blickte über ihre Schulter auf seine Uhr. Es war Zeit zu gehen. Dabei war ihm bewusst: Zehn Jahre seines Lebens ließen sich nicht so einfach amputieren; er würde ganz bestimmt Phantomschmerzen bekommen.
    Er hatte geglaubt, er werde sich ständig umsehen wollen. Doch kaum hatte er den dicken gelben Strich überschritten, war es, als sei er tatsächlich gestorben und seine Seele habe sich aus den beiden schweren, unbeweglichen Hüllen befreit und sei aufgestiegen. Er war frei. Hunter schien der Schutzanzug keine Mühe zu bereiten.
    Das weite Kleidungsstück hatte seine muskulöse, wolfsartige Gestalt zu einem formlosen Berg aufgebläht, seiner Beweglichkeit aber keinen Abbruch getan. Zwar ging er neben dem schwer atmenden Homer her, aber nur deshalb, weil er ihn seit dem Nachimowksi prospekt nicht aus den Augen ließ.
    Nach all dem, was er an der Nagatinskaja, der Nagornaja und der Tulskaja gesehen hatte, war es Homer nicht leichtgefallen, sich

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