Metro 2034
die gesamte dortige Station bis zu den Diensträumen geführt, wo sich die Badezimmer befanden. die eine war in einer reichen Familie aufgewachsen, die andere dagegen an einem verarmten Zwischenhalt oder überhaupt im Tunnel. Die Radialstation war zwar schmutzig und heruntergekommen, dafür aber leicht und geräumig. Die Ringstation machte einen eher geduckten, kantigen Eindruck, war jedoch anständig beleuchtet und auf Hochglanz poliert, was auf ein geschäftsmäßiges, ja penibles Naturell rückschließen ließ. Zu dieser Stunde war dort nicht viel los; wer nicht arbeitete, schien den Rummel der Radialstation der gesitteten Strenge des Rings vorzuziehen.
Im Umkleideraum war Sascha allein. An den Wänden sah sie gelbe Kacheln und auf dem Boden sechseckige, teils zersplitterte Fliesen, außerdem gab es hier lackierte Eisenschränke für Schuhe und Kleidung, eine Glühbirne an einem struppigen Kabel, zwei Bänke, bezogen mit zerschnittenem Kunstleder . Sie konnte sich gar nicht daran sattsehen.
Eine hagere Bademeisterin reichte ihr ein unglaublich weißes Handtuch sowie ein schweres, quaderförmiges Stück grauer Seife. Und sie erlaubte ihr sogar, die Dusche von innen zu verriegeln. Die kleinen Quadrate des Handtuchs, der leicht eklige Seifengeruch - all das gehörte einer ganz, ganz fernen Vergangenheit an, als Sascha noch die geliebte und behütete Tochter des Kommandanten gewesen war. Sie hatte bereits vergessen, dass all diese Dinge noch immer irgendwo existierten.
Sie schlüpfte hastig aus ihrer vor Schmutz starrenden Latzhose, zog ihr T-Shirt über den Kopf, ließ die Unterhose fallen und hüpfte zu dem rostigen Rohr mit dem Ausguss Marke Eigenbau hinüber. Mit einiger Kraft drehte sie das Ventil auf, wobei sie sich beinahe die Finger verbrannt hätte
- das Wasser war kochend!Sie drückte sich an die Wand, um den heißen Spritzern auszuweichen, und drehte an dem anderen Hahn. Endlich hatte sie die richtige Mischung beisammen, hörte auf herumzutanzen und löste sich im Wasser auf.
Mit dem schaumigen Wasser flossen Staub, Asche, Maschinenöl und Blut - sowohl Saschas als auch das anderer Menschen -, Müdigkeit und Verzweiflung, Schuld und Sorge durch das Abflussgitter. Es dauerte eine Weile, bis das Rinnsal allmählich heller wurde.
Genügte das, damit der Alte sie nicht mehr verspottete? Sascha blickte auf ihre rosigen, aufgeweichten Füße, als wären es nicht ihre eigenen, dann betrachtete sie ihre ungewöhnlich weißen Hände. Genügte das, damit die Männer ihre Schönheit erblickten? Vielleicht hatte Homer ja recht gehabt, und es war töricht gewesen, den Verletzten zu besuchen, ohne sich vorher einigermaßen zurechtzumachen. Wahrscheinlich musste sie diese Dinge noch lernen.
Ob er bemerken würde, dass Sascha sich verändert hatte? Sie drehte die Wasserhähne zu, ging in den Umkleideraum zurück, klappte ihren neuen Spiegel auf . Nein, es war unmöglich, dies nicht zu bemerken!
Das heiße Wasser hatte sie entspannt und all ihre Zweifel beseitigt. Was der Kahle über das Ungeheuer gesagt hatte, war nicht für sie bestimmt gewesen, sondern war Teil einer heftigen Auseinandersetzung gewesen, die er im Traum austrug. Er hatte sie nicht verstoßen. Sie würde nur abwarten müssen, bis er wieder zu sich kam. Wenn sie in diesem Augenblick bei ihm war, würde er sogleich verstehen. Und was dann? Warum sollte sie jetzt daran denken? Er war erfahren genug, dass sie sich ihm in allem anvertrauen konnte.
Sie dachte daran, wie der Kahle sich im Fieber gewälzt hatte. Sie wusste, ohne es erklären zu können, dass Hunter sie suchte. Sie konnte ihn zur Ruhe bringen, ihm Erleichterung verschaffen, ihm helfen, sein Gleichgewicht zu finden. Sie spürte eine Wärme in sich aufsteigen, je mehr sie an ihn dachte.
Die speckige Latzhose hatte man ihr abgenommen und versprochen sie zu waschen. Stattdessen bekam sie eine abgewetzte hellblaue Jeans und einen löchrigen Rollkragenpulli überreicht. Die neue Kleidung war ihr zu eng, und während man sie durch die Grenzposten zurück ins Lazarett führte, blieben die Blicke aller Männer an ihr haften, so dass Sascha, als sie bei ihrem Bett ankam, sich fühlte, als müsste sie gleich noch einmal unter die Dusche gehen.
Der Alte war nicht im Zimmer, doch sie blieb nicht lange allein. Nach wenigen Minuten öffnete sich die Tür, und der Arzt sah herein. »Sie können ihn jetzt besuchen«, sagte er. »Er ist aufgewacht.« »Was für ein Datum ist heute?« Der Brigadier
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