Metro 2034
verstanden, dass es von ihr war?
Was, wenn er das nicht erriet oder darin kein Versprechen sah? Sie flog den Gang entlang und verscheuchte diese ärgerlichen Gedanken. Sie hatte keine Ahnung, was sie zu ihm sagen würde . Wie schade, dass sie nicht an seinem Bett gestanden hatte, als er zu sich gekommen war .
Sascha hatte fast das ganze Gespräch mitbekommen. Still hatte sie an der Schwelle gelauscht und war zusammengezuckt, als er von den Tötungen gesprochen hatte. Natürlich verstand sie nicht alles, aber das brauchte sie auch nicht. Das Wichtigste hatte sie gehört. Es gab keinen Grund, noch länger zu warten, also klopfte sie laut an die Tür.
Als sich der Alte nach ihr umdrehte, stand Verzweiflung in seinem Gesicht. Er bewegte sich kaum, als hätte man diesmal ihm eine Beruhigungsspritze verpasst, die die Flamme in seinen Augen gelöscht hatte. Er nickte Sascha willenlos zu - es sah aus, wie wenn bei einem Todeskandidaten der Kopf vom Strick nach oben gerissen wird.
Das Mädchen setzte sich auf den Rand des Hockers, biss sich auf die Lippe und hielt den Atem an, bevor sie diesen neuen, unerforschten Tunnel betrat. »Gefällt dir mein Messer?«
»Was für ein Messer?« Der Kahle sah sich um und erblickte die schwarze Klinge. Er rührte sie nicht an, sondern beäugte Sascha misstrauisch. »Was soll das?« Es war, als hätte ihr jemand ins Gesicht geschlagen. »Das ist für dich. Deins ist kaputtgegangen. Als du. Danke.« Einige Augenblicke lang hing ein unangenehmes Schweigen im Raum. Dann sagte der Kahle: »Seltsames Geschenk. Würde ich von niemandem annehmen.«
Aus seinen Worten glaubte sie eine Art Anspielung zu hören, etwas Mehrdeutiges, Unausgesprochenes. Sie nahm das Spiel an, ohne die Regeln genau zu kennen, und begann nach passenden Worten zu tasten. Was dabei herauskam, war ungeschickt, nicht stimmig, doch war Saschas Zunge es einfach nicht gewohnt, zu beschreiben, was in ihr vorging.
»Spürst du auch, dass ich ein Stück von dir in mir trage? Das Stück, das sie dir herausgerissen haben . das du gesucht hast . das ich dir zurückgeben kann.« »Was redest du da?«
Als hätte er sie mit eiskaltem Wasser übergossen. Sascha fröstelte, doch sie hielt stand. »Doch, du spürst es. Dass du mit mir wieder ganz wirst. Dass ich bei dir sein kann und muss. Warum hättest du mich sonst mitgenommen?«
»Ich hab meinem Partner einen Gefallen getan.« Seine Stimme war farblos und leer. »Warum hast du mich vor den Leuten auf der Draisine beschützt?« »Ich hätte sie sowieso getötet.« »Und warum hast du mich dann vor dem Tier gerettet?« »Ich musste sie alle vernichten.« »Es hätte mich besser auffressen sollen!«
»Du freust dich gar nicht, dass du am Leben geblieben bist?«, fragte er erstaunt. »Dann brauchst du nur die Rolltreppe hochgehen. Da sind noch viele von denen.« »Ich .
Du willst, dass ich.« »Ich will gar nichts von dir.« »Ich werde dir helfen, damit aufzuhören!« »Du klammerst dich an mich.« »Aber fühlst du denn nicht, dass.« »Ich fühle gar nichts.« Seine Worte schmeckten wie rostiges Wasser.
Selbst die furchtbare Klaue des bleichen Monsters hätte sie nicht so tief treffen können. Verwundet sprang Sascha auf und rannte hinaus. Zum Glück war ihr Zimmer leer. Sie warf sich in eine Ecke und rollte sich zusammen, kramte in ihrer Tasche nach dem Spiegel, um ihn fortzuwerfen, doch fand ihn nicht; offenbar war er im Zimmer des Kahlen herausgefallen.
Als ihre Tränen getrocknet waren, wusste sie, was sie tun musste. Zum Packen brauchte sie nicht lange. Der Alte würde es ihr verzeihen, wenn sie seine Kalaschnikow mitnahm -er würde ihr alles verzeihen. In einem Nebenraum fand sie, von einem Haken hängend, ihren Schutzanzug, der gereinigt und dekontaminiert auf sie wartete. Als hätte ein Magier den toten Fettwanst ausgeweidet und dazu verflucht, Sascha auf ewig zu folgen und ihren Willen zu erfüllen.
Sie schlüpfte hinein, stampfte hinaus in den Korridor, durch den Übergang, hinauf auf den Bahnsteig. Irgendwo unterwegs streifte sie wieder ein flüchtiger Hauch jener magischen Musik, deren Quelle sie damals nicht hatte finden können. Auch jetzt hatte sie keine Zeit, sich auf die Suche zu machen. Nur einen Augenblick verharrte sie . doch dann überwand sie die Versuchung und ging weiter auf ihr Ziel zu.
Tagsüber gab es bei der Rolltreppe nur einen Posten. Solange es hell war, ließen die Kreaturen von der Oberfläche die Station in Ruhe.
Sascha brauchte nicht
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