Metro 2034
stützte sich mit dem Ellenbogen auf, bewegte schwer den Kopf hin und her und starrte Homer an. Dieser fasste sich unwillkürlich ans Handgelenk, obwohl er längst keine Uhr mehr trug, und breitete die Arme aus. Der Krankenpfleger sprang ein. »Der Zweite. November.« »Drei Tage.« Hunter fiel aufs Kissen zurück. »Drei Tage bin ich herumgelegen. Wir müssen los, sonst kommen wir zu spät.«
»Du kommst nicht weit«, sagte der Pfleger. »Du hattest kaum noch Blut in dir.«
»Wir müssen los«, wiederholte der Brigadier. »Die Zeit wird knapp. Die Banditen.« Plötzlich stutzte er. »Wozu brauchst du den Atemschutz?«
Homer war auf die Frage gefasst. Ganze drei Tage hatte er gehabt, um seine Verteidigungslinien aufzubauen und den Gegenangriff zu organisieren. Hunters Bewusstlosigkeit hatte ihn vor unnötigen Bekenntnissen bewahrt - nun hatte er eine wohldurchdachte Lüge parat.
Er beugte sich über das Bett des Verwundeten und flüsterte: »Es gibt keine Banditen. Während du im Fieber lagst . hast du die ganze Zeit geredet. Ich weiß alles.« »Was weißt du?« Hunter packte ihn am Kragen und zog ihn zu sich.
»Von der Epidemie an der Tulskaja . Es ist schon in Ordnung.« Homer winkte dem Pfleger zu, der ihm zur Hilfe eilen wollte. »Ich schaffe das schon. Ich muss mit ihm reden.
Wären Sie so freundlich.« Widerstrebend gab der Pfleger nach, setzte die Kappe wieder auf die Kanüle und ließ sie allein.
»Von der Tulskaja .« Hunter fixierte Homer noch immer mit seinen irren, entzündeten Augen, aber sein eiserner Griff lockerte sich allmählich. »Sonst nichts?« »Nur dass an der Station eine unbekannte Infektion ausgebrochen ist. Dass sie durch die Luft übertragen wird. Und dass unsere Leute eine Quarantäne verhängt haben und auf Hilfe warten.«
»Soso. Na gut .« Der Brigadier ließ ihn los. »Ja, es ist eine Epidemie. Und du fürchtest also, dich anzustecken?« »Sei auf der Hut, dann hilft dir Gott«, erwiderte Homer vorsichtig. »Jaja. Ist schon gut . Ich war nicht nah dran, und der Luftzug ging in ihre Richtung . Es dürfte nichts passiert sein.« Homer fasste Mut. »Wozu diese ganze Geschichte mit den Banditen? Was hast du vor?« »Erst zur Dobryninskaja, verhandeln. Dann die Tulskaja säubern. Wir brauchen Flammenwerfer. Anders geht es nicht.«
»Die ganze Station ausräuchern? Und was ist mit unseren Leuten?« Homer hoffte, dass diese Worte nur ein weiteres Ablenkungsmanöver das Brigadiers waren, wie all das, was er der Führung der Sewastopolskaja aufgetischt hatte. »Die sind sowieso lebende Leichen. Es gibt keinen Ausweg. Alle Kontaktpersonen sind infiziert. Die ganze Luft. Ich habe von dieser Krankheit gehört.« Hunter schloss die Augen und fuhr sich mit der Zunge über die aufgeplatzten Lippen. »Es gibt kein Gegenmittel. Vor ein paar Jahren gab es schon mal einen Ausbruch. Zweitausend Tote.« »Aber dann hörte die Krankheit doch wieder auf?«
»Es gab eine Belagerung. Flammenwerfer.« Der Brigadier wandte Homer sein verunstaltetes Gesicht zu. »Es gibt kein anderes Mittel. Wenn sie ausbricht und nur ein einziger Mensch durchkommt, dann sind wir alle am Ende. Ja, das mit den Banditen war gelogen. Anders hätte ich Istomin niemals die Genehmigung abringen können, sie alle zu töten. Er ist zu weich. Ich werde Leute holen, die keine Fragen stellen.«
»Aber vielleicht gibt es ja doch Menschen, die dagegen immun sind? Was ist, wenn dort noch Gesunde sind? Ich . Du hast gesagt. Vielleicht können wir dort noch jemanden retten.«
»Es gibt keine Immunität«, unterbrach der Brigadier heftig. »Alle Kontaktpersonen stecken sich an. Es gibt dort keine Gesunden mehr, nur solche, die es länger aushalten.
Und für die wird es nur noch schlimmer. Sie werden sich länger quälen müssen. Glaub mir, es ist besser für sie, wenn ich, wenn sie umgebracht werden.«
»Und was bringt dir das?« Homer rückte von Hunters Liege ab. Der Brigadier senkte müde die Lider - und wieder fiel Homer auf, dass sich das Auge auf der entstellten Gesichtshälfte nicht ganz schloss. Hunter wartete so lange mit seiner Antwort, dass der Alte schon fast wieder den Arzt holen wollte.
Doch dann sprach der Brigadier langsam, gedehnt, mit zusammengepressten Zähnen, als hätte ihn ein Hypnotiseur auf die Suche nach verlorenen Erinnerungen in eine unendlich ferne Vergangenheit geschickt: »Ich muss. Die Menschen schützen. Jede Gefahr beseitigen. Ich bin nur dazu da.«
Hatte er das Messer gefunden? Hatte er
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