Metro2033
stürzte er los, schreiend und wild mit den Fäusten um sich schlagend - dorthin, wo er seinen Gegner zu finden glaubte.
Seine Fäuste pfiffen durch die Luft. Doch niemand wehrte seine Schläge ab. Er hieb ins Leere, schrie, sprang zurück, breitete die Arme aus, um den unsichtbaren Feind in der Dunkelheit zu packen. Nichts. Es war niemand da. Doch kaum war er wieder bei Atem und machte einen Schritt, als das schwere, schlurfende Geräusch erneut erklang, diesmal direkt vor ihm. Wieder schlug er drauflos, wieder vergeblich. Er glaubte den Verstand zu verlieren. Er starrte in die Dunkelheit, bis die Augen schmerzten, und versuchte verzweifelt auch nur irgendetwas zu erkennen. Er lauschte, ob er den Atem des anderen vernahm. Doch es war niemand da.
Nachdem er einige Sekunden lang vollkommen reglos gewartet und mit sich gerungen hatte, gelangte Artjom zu der Einsicht, dass diese Erscheinung, wie immer sie auch zu erklären war, für ihn keine Gefahr darstellte. Wahrscheinlich ein akustisches Phänomen. Wenn ich nach Hause komme, frage ich Suchoj, sagte er sich. Schon wollte er den nächsten Schritt machen, als ihm jemand leise ins Ohr flüsterte: »Warte. Geh noch nicht.«
»Wer ist da?«, rief Artjom. Er atmete schwer. Niemand antwortete ihm. Um ihn herum war nichts als Leere. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn, dann ging er hastig los Richtung Borowizkaja. Die geisterhaften Schritte seines Verfolgers entfernten sich mit der gleichen Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung, wurden allmählich leiser, bis sie sich in der Ferne ganz auflösten. Erst dann blieb Artjom stehen. Er hatte keine Ahnung, was das gewesen war. Noch nie hatte er von etwas Derartigem gehört, weder von seinen Freunden noch von seinem Stiefvater bei dessen abendlichen Erzählungen am Lagerfeuer. Doch wer auch immer dort zu ihm gesprochen hatte - dessen Rat, stehen zu bleiben und zu warten, übte nun, da Artjom Zeit gehabt hatte, darüber nachzudenken, eine geradezu hypnotische Überzeugungskraft aus.
Daher kauerte er sich auf die Gleise, wo er die nächsten zwanzig Minuten wie ein Betrunkener hin und her schwankte. Er kämpfte mit einem plötzlichen Schüttelfrost, während er an die seltsame, kaum menschliche Stimme dachte. Erst als das Zittern endlich nachließ und das furchtbare Geflüster in seinem Kopf mit dem leisen Pfeifen des aufkommenden Tunnelwinds verschmolz, erhob er sich und ging weiter.
Die ganze Zeit über schritt er mechanisch voran, versuchte an nichts zu denken. Hin und wieder stolperte er über irgendwelche Kabel am Boden. Es schien nicht viel Zeit vergangen zu sein, obwohl er nicht sagen konnte, wie viel genau, denn in der Dunkelheit waren die Minuten nicht voneinander zu unterscheiden.
Schließlich erblickte er Licht am Ende des Tunnels.
Die Borowizkaja. Die Polis.
Im gleichen Augenblick vernahm er lautes Rufen und Schüsse. Er schrak zurück und verbarg sich in einer Wandnische. In der Ferne hörte er ein langgezogenes Stöhnen und Fluchen. Dann donnerte, verstärkt durch das Echo, eine Maschinengewehrsalve durch den Tunnel.
Warte ...
Als alles wieder ruhig war, harrte Artjom noch eine Viertelstunde in seinem Versteck aus, ehe er sich herauswagte. Er hob beide Arme und ging langsam auf das Licht zu.
Es war tatsächlich der Eingang zur Station. Vorgelagerte Posten gab es an der Borowizkaja nicht, offenbar verließ man sich hier auf die Unantastbarkeit der Polis. Erst fünf Meter vor der Stelle, an der das Tunnelgewölbe endete, standen die Zementblöcke eines Kontrollpunkts. Davor lag in einer Blutlache, die Arme weit von sich gestreckt, ein lebloser Körper.
Kaum war Artjom in Sichtweite der grün uniformierten Grenzer, befahlen sie ihm, näher zu kommen und sich mit dem Gesicht zur Wand zu stellen. Man durchsuchte ihn schnell, fragte nach seinem Pass, drehte ihm die Arme auf den Rücken und brachte ihn schließlich zur Station.
Das Licht. Es war die Wahrheit, alle hatten sie die Wahrheit gesagt, es waren keine Lügenmärchen gewesen. Dieses Licht war so hell, dass Artjom die Augen zusammenkneifen musste, um nicht zu erblinden. Sogar durch die geschlossenen Lider blendete dieses Gleißen seine Pupillen, und erst als ihm die Grenzer die Augen verbanden, ließ das Brennen allmählich nach. Die Rückkehr zu jenem Leben, das frühere Generationen einmal geführt hatten, war schmerzhafter, als Artjom vermutet hatte.
Erst in der Wachstube nahm man ihm die Augenbinde wieder ab. Es war ein
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