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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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gewöhnlicher, kleiner, mit brüchigen Fliesen ausgekleideter Dienstraum. Und es war dunkel. Lediglich eine Kerze flackerte auf einem ockerfarben angestrichenen Holztisch. Der Wachleiter, ein beleibter und unrasierter Mann in einem grünen Offiziershemd mit hochgekrempelten Ärmeln und einer Krawatte am Gummiband, sah gerade dabei zu, wie etwas flüssiges Wachs auf seinem Finger erstarrte. Er musterte Artjom lange, dann fragte er: »Woher kommen Sie? Wo ist Ihr Pass? Und was ist mit Ihrem Auge?«
    Artjom sah keinen Sinn darin, sich zu verstellen. Er berichtete, wie ihm die Faschisten seinen Pass abgenommen hatten und wie er dort fast sein Auge verloren hätte.
    Zu seiner Überraschung reagierte der Hauptmann wohlwollend. »Kennen wir, natürlich. Der Tunnel auf der anderen Seite führt genau zur Tschechowskaja. Da haben wir eine richtige Festung stehen. Noch herrscht kein Krieg, aber wohlmeinende Leute raten uns, auf der Hut zu sein. Wie heißt es so schön: Si vis pacem, para bellum.« Er zwinkerte Artjom zu.
    Den letzten Satz verstand Artjom nicht, und nachfragen wollte er auch nicht. Eine Tätowierung in der Ellenbeuge des Hauptmanns fesselte seine Aufmerksamkeit: Es war ein Vogel mit weit geöffneten Flügeln, dem - offenbar wegen der Strahlung - zwei Köpfe mit hakenförmigen Schnäbeln gewachsen waren. An irgendetwas erinnerte ihn das, doch woran, wusste er nicht mehr. Als der Wachleiter sich zu einem der Soldaten umwandte, sah Artjom das gleiche Zeichen in klein auf seiner linken Schläfe.
    »Und was verschafft uns die Ehre?«, fragte der Hauptmann dann.
    »Ich suche einen gewissen Melnik. Wahrscheinlich ein Spitzname. Ich habe eine wichtige Mitteilung für ihn.«
    Der Gesichtsausdruck des Grenzers veränderte sich schlagartig. Das träge, gutmütige Lächeln verschwand von seinen Lippen, und seine Augen blitzten überrascht im Licht der Kerze auf. »Sagen Sie es mir, ich richte es aus.«
    Artjom schüttelte den Kopf. Entschuldigend begann er zu erklären, es handele sich um eine geheime Information, und es sei ihm aufgetragen worden, sie niemandem außer diesem Melnik selbst mitzuteilen.
    Der Hauptmann musterte ihn erneut, dann gab er einem der Soldaten ein Zeichen, und dieser reichte ihm ein schwarzes Telefon, wobei er das Kabel exakt bis auf die notwendige Länge abrollte. Der Hauptmann drehte mehrmals mit einem Finger die Scheibe und sprach in den Hörer: »Hier Bor-Süd, Iwaschow. Verbinden Sie mich mit Oberst Melnikow.«
    Während sie auf die Antwort warteten, bemerkte Artjom, dass auch die beiden Soldaten, die sich mit ihnen im Zimmer befanden, die gleiche Tätowierung an ihren Schläfen trugen.
    Der Wachleiter klemmte den Hörer zwischen Wange und Schulter und fragte Artjom: »Wie soll ich Sie vorstellen?«
    »Sagen Sie, eine Mitteilung von Hunter. Eine dringende Mitteilung.«
    Der andere nickte, wechselte noch ein paar Sätze mit der Person am anderen Ende der Leitung und beendete das Gespräch. »An der Arbatskaja, beim Stationsvorsteher, morgen um neun. Bis dahin sind Sie frei.« Er gab einem der Soldaten ein Handzeichen, der daraufhin die Tür freigab. Dann wandte er sich noch einmal an Artjom. »Sie sind ja sozusagen unser Ehrengast und außerdem zum ersten Mal hier. Nehmen Sie die hier, aber nur geliehen!« Er hielt Artjom eine dunkle Brille mit leicht verbogenem Metallgestell hin.
    Erst morgen! Artjom konnte seine heftige Enttäuschung, ja Kränkung nicht verbergen. Und dafür hatte er den ganzen Weg zurückgelegt, hatte sein Leben und das anderer riskiert? Dafür hatte er sich so beeilt, sich gezwungen, einen Fuß vor den anderen zu setzen? Wieso hatte dieser verdammte Melnik nicht einmal eine freie Minute für ihn?
    Oder war Artjom einfach zu spät gekommen, und jener wusste schon alles? Vielleicht wusste Melnik ja sogar Dinge, die Artjom nicht einmal ahnte? Vielleicht hatte er sich so sehr verspätet, dass seine Mission bereits ihren Sinn verloren hatte? »Erst morgen?«, brach es aus ihm heraus.
    »Der Oberst hat heute noch einen Auftrag zu erledigen. Er kommt morgen früh wieder«, erklärte der Wachleiter. »Geh schon, und ruh dich aus.« Dann begleitete er Artjom aus dem Dienstraum hinaus.
    Beruhigt, aber noch immer leicht gekränkt, setzte Artjom die Brille auf. Die Gläser waren verkratzt und verzerrten ein wenig die Sicht, doch er begriff schnell, dass er ohne sie verloren gewesen wäre. Das Licht der Quecksilberlampen war zu hell für ihn. Und nicht nur für ihn. Artjom sah, dass

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