Metro2033
wehrlos war, weder Dokumente noch Taschenlampe noch Waffen mit sich trug, dass er ein absonderliches Sektierergewand anhatte. Ja, nicht einmal die Tatsache, dass er weder diesen Tunnel noch die womöglich darin lauernden Gefahren kannte, beschäftigte ihn.
Die Gewissheit, dass ihm, solange er seinem Weg folgte, nichts passieren konnte, beherrschte sein Bewusstsein. Wohin war die zuvor unvermeidliche Tunnelangst verschwunden? Wo waren Müdigkeit und Zweifel geblieben?
Es war das Echo, das alles verdarb.
In diesem leeren Tunnel hallte das Geräusch seiner Schritte nach vorne und nach hinten wider. Krachend stieß es sich an den Wänden ab und entfernte sich allmählich, bis es in ein leises Rascheln überging. Der Widerhall erklang mit einer gewissen Verzögerung, und nach einer Weile hatte Artjom das Gefühl, als ginge nicht nur er durch diesen Tunnel, sondern auch noch jemand anders. Bald war dieser Verdacht so stark, dass Artjom am liebsten stehen geblieben wäre, um zu horchen, ob das Echo der Schritte vielleicht doch ein eigenes Leben hatte.
Einige Minuten lang kämpfte er gegen die Versuchung an. Sein Schritt verlangsamte sich. Er trat nun leiser auf, horchte, ob sich dies auch auf die Lautstärke des Echos auswirkte. Schließlich blieb er stehen. Flach atmend, damit der Luftzug nicht das kleinste Geräusch in der Ferne überdeckte, stand er stocksteif in der Finsternis und wartete.
Stille.
Nun, da er sich nicht mehr bewegte, hatte er das Gefühl für den Raum wieder verloren. Als er noch ging, hatte er die Verbindung zur Wirklichkeit über seine Fußsohlen gespürt - doch während er so in der tiefen Schwärze des Tunnels stand, wusste er nicht mehr, wo er sich befand.
Dann, als er sich wieder in Bewegung setzte, glaubte er das leise Echo seines Schritts bereits zu hören, bevor sein Fuß den Betonboden berührte.
Sein Herz schlug nun lauter. Er redete sich zu, dass es dumm und sinnlos war, auf jedes kleine Scharren im Tunnel zu achten. Eine Zeit lang versuchte er das Echo zu ignorieren. Dann schien es ihm, als käme der letzte, ganz leise Widerhall allmählich näher. Er hielt sich die Ohren zu und ging weiter.
Doch nach ein paar Minuten riss er die Hände von den Ohren, ohne stehen zu bleiben, und bemerkte mit Grauen, dass das Echo im Tunnel vor ihm tatsächlich lauter ertönte. Aber kaum verharrte er auf der Stelle, da verstummten, nur wenige Sekundenbruchteile später, auch jene Geräusche. Dieser Tunnel prüfte Artjoms Fähigkeit, der Angst zu widerstehen. Doch so leicht würde er sich nicht ergeben. Er hatte schon zu viel durchgemacht, um vor einem Echo im Dunkeln zurückzuschrecken.
War es denn ein Echo?
Es kam näher, daran bestand kein Zweifel. Als er die gespenstischen Schritte etwa zwanzig Meter vor sich vermutete, blieb Artjom ein weiteres Mal stehen. Es war so unerklärlich und unheimlich, dass er es kaum aushielt. Er wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Seine Stimme überschlug sich, als er in die Leere hineinrief: »Ist dort jemand?«
Das Echo kam aus erschreckender Nähe, und Artjom erkannte seine Stimme nicht wieder. Zitternde Wortfetzen jagten einander, immer tonloser werdend, in die Tiefe des Tunnels: »... dort jemand ...jemand ... and...?«
Niemand antwortete. Doch dann geschah das Unglaubliche: Das Echo kam zurück. Es wurde lauter, nahm die verlorenen Silben wieder auf, und schließlich wiederholte jemand in vielleicht dreißig Schritten Entfernung mit ängstlicher Stimme seine Frage.
Das war zu viel. Artjom drehte sich um und lief in die Richtung los, aus der er gekommen war. Er vergaß völlig, dass man der Angst niemals nachgeben durfte.
Es dauerte nicht lange, da merkte er, dass der Widerhall seiner Schritte weiter in derselben Entfernung erklang. Das hieß, der unsichtbare Verfolger ließ ihn nicht laufen. Keuchend rannte er - bis er über ein Verbindungsstück zwischen zwei Tunnelsegmenten stolperte und fiel.
Das Echo erstarb sofort. Es verging einige Zeit, dann endlich nahm Artjom all seinen Mut zusammen, erhob sich und machte wieder einen Schritt Richtung Polis. Und nun kamen die schlurfenden Schritte wieder mit jedem Meter näher. Nur das Pochen in seinen Ohren übertönte dieses unheilvolle Geräusch. Jedes Mal, wenn er stehen blieb, verharrte auch sein Verfolger in der Dunkelheit. Dass es sich nicht um ein Echo handelte, davon war er jetzt absolut überzeugt.
Er ging weiter, bis sich ihm die Schritte auf eine Armlänge genähert hatten ... Und dann
Weitere Kostenlose Bücher