Metro2033
Stahlhaut tragen - in musealen Panoramen, auf Fernsehbildschirmen, auf karierten, aus Schulheften herausgerissenen Blättern ...«
Die Kerze flackerte ein letztes Mal auf und erlosch.
Es war Zeit zu schlafen.
Wenn Artjom sich mit dem Rücken zum Denkmal drehte, würde er in der Lücke zwischen den beiden halb zerstörten Häusern ein Stück der hohen Mauer sowie die Umrisse spitz zulaufender Türme sehen. Sich umzudrehen und dorthin zu sehen war jedoch verboten, das hatte man ihm eingeschärft. Außerdem durfte er die Türen und die Stufen keinen Augenblick außer Acht lassen, denn im Falle des Falles musste er unverzüglich Alarm schlagen. Wenn er sich dagegen vom Anblick der Türme einfangen ließ, war es zu spät: Er selbst würde dabei draufgehen, und auch die anderen würden in Schwierigkeiten geraten.
Also blieb er stehen, wie er war, obwohl etwas ihn lockte, sich umzudrehen. Um sich abzulenken, betrachtete er das Standbild, dessen Sockel mit Moos bewachsen war. Es stellte einen alten, düster dreinblickenden Mann dar, der auf einem flachen Sessel saß und sich mit einem Arm aufstützte. Aus den tief eingekerbten Augenhöhlen tropfte langsam etwas Dickflüssiges heraus, so dass es den Anschein hatte, als ob das Monument weinte.
Lange hielt Artjom diesen Anblick nicht aus. Er ging um die Statue herum und beobachtete die Eingangstüren. Alles war ruhig, es herrschte absolute Stille, nur der Wind pfiff leicht, wenn er zwischen den abgenagten Gebäudeskeletten hindurchwehte. Seine Begleiter waren schon ziemlich lange weg. Artjom hatten sie nicht mitgenommen. Er hatte den Auftrag, hier Wache zu halten. Wenn etwas passierte, sollte er zur Station zurückkehren und die anderen warnen.
Die Zeit verging langsam. Er zählte die Schritte, mit denen er das Denkmal umkreiste: eins, zwei, drei ...
Als er bei fünfhundert angekommen war, geschah es. Das Stampfen und Fauchen kam von hinten - von dort, wo er nicht hinsehen durfte. Etwas war dort, und es konnte sich jeden Moment auf Artjom stürzen. Er erstarrte, horchte, dann warf er sich zu Boden, drückte sich gegen den Sockel, das Gewehr im Anschlag.
Jetzt war es ganz nah, wahrscheinlich auf der anderen Seite des Denkmals. Artjom konnte sein heiseres, animalisches Atmen hören, während es um den Sockel herumkam und sich ihm langsam näherte. Verzweifelt versuchte er, seine zitternden Hände zu kontrollieren und die Stelle, wo das Wesen auftauchen musste, im Visier zu behalten.
Doch plötzlich begannen sich die Geräusche zu entfernen. Artjom spähte hinter der Statue hervor, um seinem unbekannten Gegner eine Salve in den Rücken zu feuern. Aber da vergaß er augenblicklich alles, was um ihn herum vor sich ging.
Der Stern auf dem Kremlturm war sogar aus dieser Entfernung noch deutlich zu sehen. Der Turm selbst war nur eine trübe Silhouette im fahlen Licht des wolkenverhangenen Monds - doch der Stern bannte die Aufmerksamkeit eines jeden, der dorthin blickte. Er strahlte. Artjom traute seinen Augen nicht. Er griff nach seinem Feldstecher.
Der Stern loderte in einem rasenden, grell-roten Feuer, das einen Umkreis von mehreren Metern beleuchtete. Als Artjom näher hinsah, fiel ihm auf, dass dieses Leuchten ungleichmäßig war. Es schien, als sei in dem gigantischen Rubin ein Wirbelsturm eingesperrt: Wilde Flammen flackerten auf, etwas schien hin und her zu fließen, das Licht brodelte und zuckte. Der Anblick war von umwerfender, überirdischer Schönheit, doch aus dieser Entfernung nur schwer zu erkennen. Artjom musste näher heran.
Er warf sich das Gewehr über die Schulter, lief die Treppe hinab, sprang über den aufgesprungenen Asphalt der Straße und blieb erst an der Ecke des Gebäudes stehen, von wo aus er die gesamte Kremlmauer sehen konnte - und die Türme. Auf jedem der Türme strahlte ein roter Stern. Atemlos nahm Artjom wieder das Fernglas vor die Augen. Alle Sterne loderten in demselben brodelnden, ungleichmäßigen Licht, von dem sich Artjom einfach nicht losreißen konnte.
Er konzentrierte sich auf den am nächsten befindlichen Stern, sog das fantastische Flammenspiel in sich auf - und mit einem Mal glaubte er zu erkennen, was sich dort unter der kristallenen Oberfläche bewegte.
Um die rätselhaften Konturen besser sehen zu können, näherte er sich noch ein Stück. Ohne auf irgendwelche Gefahren zu achten, blieb er mitten auf offener Straße stehen und starrte durch den Feldstecher. Was hatte er da gesehen?
Die Dunklen Gebieter. Die Marschälle
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