Metro2033
besonders hart getroffen. Da ging es auch Ramenki an den Kragen, genauso wie den Regierungsdatschen mit ihren dreißig Meter tiefen Kellern ... Ramenki selbst hätten sie vielleicht noch verschont - die Zivilbevölkerung sollte ja, soweit es ging, geschont werden. Damals wusste noch niemand, dass dieser Krieg bis zum bitteren Ende dauern würde und sowieso alles egal war. Jedenfalls wäre Ramenki verschont worden, wenn es nicht gleich daneben einen Kommandostützpunkt gegeben hätte, und dem haben sie natürlich eingeheizt. Na ja, und die zivilen Opfer waren eben der Kollateralschaden, wie das so schön heißt. Nach dem Motto: tut uns furchtbar Leid, aber ... Jedenfalls, als noch niemand etwas Genaues wusste, bekam ich den Befehl, den Funk zu überwachen. Ich saß da gleich bei der Arbatskaja in einem Bunker. Am Anfang kriegte ich seltsame Dinge mit. Aus Sibirien kam gar nichts, aber dafür meldeten sich die U-Boote, und zwar die strategischen, reaktorgetriebenen. Sie wollten wissen, ob sie zuschlagen sollen oder nicht. Die konnten es gar nicht glauben, dass Moskau nicht mehr existierte. Da waren Kapitäne ersten Ranges, die wie Kinder flennten, obwohl sie noch auf Empfang waren. Ist schon komisch, weißt du, wenn diese hartgesottenen Marineoffiziere dich unter Tränen bitten, nach ihren Frauen und Töchtern zu suchen. Als hätte ich auch nur irgendeine Möglichkeit gehabt, sie zu finden ... Danach hat jeder von denen auf seine Weise reagiert. Die einen meinten: Auge um Auge, Zahn um Zahn, zum Teufel mit allem, nahmen Kurs auf deren Küste und feuerten alles, was sie an Sprengköpfen dabeihatten, auf die Städte dort. Andere wiederum sahen gar keinen Sinn mehr darin zu kämpfen. Warum noch mehr Menschen töten? Aber einen Unterschied machte das ohnehin nicht mehr. Die U-Boote antworteten uns übrigens noch ganz lange. Die konnten ja, wenn nötig, bis zu einem halben Jahr auf Tauchstation bleiben. Den einen oder anderen haben sie natürlich geschnappt, aber alle konnten sie nicht finden. Da hab ich schon Geschichten gehört, dass es mir noch heute kalt den Rücken runterläuft ... Aber eigentlich wollte ich was anderes erzählen: Einmal hatte ich die Besatzung eines Panzers an der Strippe, die den Schlag wie durch ein Wunder überlebt hatte. Sie waren wohl gerade erst von ihrer Basis losgefahren oder so. Die neue Panzertechnik hielt die Strahlung ab, und so rasten die drei mit Volldampf los von Moskau nach Osten. Sie durchquerten brennende Dörfer, gabelten ein paar Weiber auf und fuhren weiter. Um sich mit Diesel zu versorgen, hielten sie unterwegs an irgendwelchen Tankstellen an und fuhren sofort wieder weiter. Erst als sie durch eine absolute Ödnis kamen, wo es überhaupt nichts zu bombardieren gab, ging ihnen der Treibstoff aus. Die Hintergrundstrahlung war dort natürlich noch ziemlich hoch, aber nicht so schlimm wie in der Nähe der Städte. Sie machten sich ein Lager und buddelten den Panzer bis zur Hälfte ein, als eine Art Befestigung. Dann bauten sie daneben Zelte auf, gruben sich Erdlöcher, beschafften sich von irgendwo einen Handgenerator und lebten so ziemlich lange neben diesem Panzer. Fast zwei Jahre lang habe ich mich jeden Abend mit ihnen unterhalten. Am Ende wusste ich über ihre Familiengeschichten bestens Bescheid. Erst war alles ruhig, sie richteten sich häuslich ein, zwei der Frauen bekamen sogar fast normale Kinder. Munition hatten sie auch genug. Was die dort alles sahen - die Tiere, die aus dem Wald kamen -, das konnte mir der Leutnant, mit dem wir immer Kontakt hatten, gar nicht richtig beschreiben. Eines Tages waren sie verschwunden. Ein halbes Jahr hab ich noch nach ihnen gesucht, aber da war wohl irgendwas passiert. Vielleicht war der Generator oder der Empfänger kaputt, oder die Munition war ihnen ausgegangen.«
Unvermittelt meldete sich sein Kollege zu Wort: »Wie du von Ramenki gesprochen hast, dass die ausgebombt wurden, da hab ich gedacht: So viele Jahre bin ich schon im Dienst, aber das mit dem Kreml, warum der heil geblieben ist, hat mir noch keiner erklären können. Warum haben sie ihn nicht angerührt? Ausgerechnet dort müssen doch jede Menge Bunker gewesen sein ...«
»Wer hat denn gesagt, dass sie ihn nicht angerührt haben? Sie wollten ihn nur nicht kaputt machen, vielleicht wegen der Architektur. Stattdessen haben sie eben ihre neuesten Entwicklungen dort ausprobiert. Na ja, und jetzt haben wir den Salat ... Hätten sie ihn doch lieber gleich plattgemacht.« Der Alte
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