Metro2033
denken, von dem ihm Danila am Vortag erzählt hatte, doch wagte er es nicht, danach zu fragen.
Die Brahmanen hatten ihm versichert, er werde nicht allein an die Oberfläche gehen müssen. Sie hatten vor, eine Art Einsatzkommando zusammenzustellen: Mindestens ein Angehöriger ihrer Kaste und zwei Stalker sollten Artjom begleiten. Dem Hüter sollte er, wenn die Expedition erfolgreich verlief, das Fundstück unverzüglich aushändigen - dafür würde dieser ihm etwas geben, was ihn in die Lage versetzte, die Bedrohung von der WDNCh abzuwenden.
Jetzt, im hellen Licht der Station, erschienen ihm die Bedingungen ihres Abkommens absurd. Er fühlte sich an den Titel eines alten russischen Märchens erinnert: Geh hin - ich weiß nicht wohin - bring das - ich weiß nicht was. Im Gegenzug versprach man ihm eine wundersame Rettung, ohne jedoch zu präzisieren, wie diese aussehen würde. Aber was blieb ihm übrig? Sollte er etwa mit leeren Händen zurückkehren? Was erwartete Hunter von ihm?
Als Artjom seine geheimnisvollen Gesprächspartner fragte, auf welche Weise er in den gigantischen Magazinen der Bibliothek das finden solle, was sie suchten, antworteten sie ihm, er werde an Ort und Stelle alles begreifen. Er werde es spüren. Weiter fragte er nicht nach, damit die Brahmanen nicht den Glauben an seine außerordentlichen Fähigkeiten verloren - von denen er selbst alles andere als überzeugt war. Zum Abschied ermahnten sie ihn strengstens, keinem der Offiziere etwas davon zu erzählen, sonst verliere ihr Abkommen sofort seine Gültigkeit.
Artjom setzte sich auf eine Bank in der Mitte des Saals und dachte nach. Nun hatte er die fantastische Chance, an die Oberfläche zu gehen, was ihm bisher nur ein einziges Mal gelungen war, und diesmal ohne Angst vor Bestrafung oder anderen Konsequenzen. Nicht allein, sondern in Begleitung richtiger Stalker, um einen Geheimauftrag zu erfüllen, den ihm die Kaste der Hüter erteilt hatte. Warum sie die Bezeichnung »Bibliothekar« so wenig mochten, hatte er sich nicht zu fragen getraut.
Neben ihm ließ sich Melnik schwer auf der Bank nieder. Er sah müde und angespannt aus.
»Warum hast du dich darauf eingelassen?«, fragte er tonlos und starrte vor sich hin.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Artjom überrascht. Seit seiner Unterredung mit den Brahmanen war noch nicht einmal eine Viertelstunde vergangen.
Melnik ignorierte die Frage und fuhr mit gleichgültiger Stimme fort: »Ich werde wohl mit dir gehen müssen, denn ich bin jetzt für dich verantwortlich. Das bin ich Hunter schuldig, was immer ihm passiert ist. Außerdem ist ein Vertrag mit den Brahmanen unkündbar. Das hat noch niemand geschafft. Aber sag bloß nichts zu den Offizieren.« Er erhob sich, schüttelte den Kopf und fügte hinzu: »Wenn du wüsstest, was du dir da aufgeladen hast... Ich gehe schlafen. Heute Abend steigen wir nach oben.«
»Sind Sie etwa kein Offizier?«, rief ihm Artjom hinterher. »Ich habe gehört, wie man Sie Oberst genannt hat.«
»Oberst stimmt schon, aber meine Organisation ist eine andere«, erwiderte Melnik zögernd und verschwand.
Den Rest des Tages verbrachte Artjom damit, sich die Polis anzusehen. Ziellos schlenderte er durch dieses scheinbar unendliche Labyrinth von Übergängen und Treppen, betrachtete die majestätischen Säulenreihen, fragte sich, wie viele Menschen diese unterirdische Stadt wohl aufnehmen konnte, hörte Straßenmusikanten zu, blätterte sich durch das Angebot an den Bücherständen, spielte mit feilgebotenen Welpen, erfuhr die neuesten Gerüchte - und wurde das Gefühl nicht los, dass ihn jemand dabei beobachtete. Mehrmals drehte er sich ruckartig um und forschte nach einem aufmerksamen Blick, doch vergeblich. Um ihn herum wogte eine geschäftige Menschenmenge, niemand interessierte sich für ihn.
In einer der Unterführungen entdeckte er eine Art Hotel, in dem er einige Stunden schlief, bevor er um zehn Uhr abends, wie vereinbart, an der Borowizkaja bei dem Kontrollpunkt am Ausgang nach oben erschien. Melnik verspätete sich offenbar, aber der Wachposten war informiert, und man lud Artjom ein, bei einer Tasse Tee auf den Stalker zu warten.
Der alte Wachmann unterbrach die Geschichte, die er gerade erzählt hatte, um Artjom heißes Wasser einzuschenken, dann fuhr er fort: »Also, ich musste damals den Funkverkehr überwachen. Alle hofften auf irgendein Signal aus den Regierungsbunkern hinterm Ural. Natürlich umsonst, denn gerade die strategischen Objekte hatte es
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