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Metro2033

Titel: Metro2033 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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der Bibliothek. Die übrigen ließen ihre Lampen über die Marmorwände und die von rostigem Moos zerfressene Decke streifen.
    Die große Marmortreppe, auf der sie sich befanden, führte ins Obergeschoss der Eingangshalle. Da sie nicht überdacht war, fügten sich beide Stockwerke zu einem einzigen, riesigen Raum zusammen. Das Obergeschoss verlief hufeisenförmig um die Treppe herum. Auf den beiden Seitenflächen befanden sich niedrige Holzschränke, von denen die meisten verbrannt oder verfault waren, aber einige sahen noch so aus, als seien ihre vielen hundert kleinen Schubladen erst gestern zum letzten Mal benutzt worden.
    »Die Kartei«, erklärte Danila leise und sah sich ehrfürchtig um. »Mit diesen Schubladen kann man sich die Zukunft weissagen lassen. Nur Eingeweihte können das. Nach einem bestimmten Ritual muss man blind an einen der Schränke treten, sich für eine der Schubladen entscheiden und eine beliebige Karte darin auswählen. Wenn das Ritual richtig vollzogen wurde, wird dir der Titel des Buches die Zukunft voraussagen, dich warnen oder dir Erfolg prophezeien.«
    Einen Augenblick lang verspürte Artjom den Wunsch, sich dem nächstbesten Schrank zu nähern und nachzusehen, in welche Abteilung dieser Schicksalskartei es ihn verschlagen würde. Doch dann fiel sein Blick auf eines der eingeschlagenen Fenster in der hinteren Ecke. Ein riesiges Spinnennetz von mehreren Metern Durchmesser hing dort. In seinen dünnen, aber offenbar außerordentlich stabilen Fäden hatte sich ein großer Vogel verfangen. Er lebte noch, denn hin und wieder zuckte sein Körper schwach. Das Tier, das dieses ungeheuere Netz gesponnen hatte, war glücklicherweise nicht zu sehen ...
    Auf Melniks Zeichen hin blieben sie stehen. Der Stalker wandte sich an Artjom. »Probier mal, ob du schon etwas spürst. Aber höre nicht auf das, was außen ist, sondern was in dir, in deinem Kopf erklingt. Das Buch muss dich rufen. Die Ältesten der Brahmanen glauben, dass es am wahrscheinlichsten auf einer der Ebenen des Hauptmagazins zu finden ist. Doch es kann überall sein: in einem der Lesesäle, auf einem vergessenen Bücherwagen, in irgendeinem Korridor, auf einem Tisch der Bibliotheksaufsicht ... Deshalb prüfe jetzt, ob du seine Stimme hörst, bevor wir uns ins Magazin durchschlagen. Schließ die Augen. Entspann dich.«
    Artjom kniff die Augen zusammen und lauschte angespannt. In der Dunkelheit zerfiel die Stille in Dutzende winziger Geräusche: das Knarzen der Holzregale, die Luftzüge in den Gängen, undeutliches Rascheln, das Heulen des Windes draußen auf der Straße, und ein Geräusch wie das Husten eines alten Mannes, das von den Lesesälen herkam. Nichts jedoch, was wie ein Ruf, eine Art Stimme klang. So stand er da, fünf, zehn Minuten lang, und hielt zwischendrin die Luft an, damit ihn nichts dabei störte, aus all den verschiedenen Geräuschen der toten Bücher die Stimme des einen lebendigen Buches zu hören.
    »Nein«, sagte er schließlich und öffnete die Augen wieder. »Hier ist nichts.«
    Melnik antwortete nicht, und auch Danila schwieg, doch Artjom erhaschte seinen enttäuschten Blick, der mehr sagte als tausend Worte.
    Nach einer Minute fasste der Stalker einen Entschluss. »Vielleicht ist es ja wirklich nicht hier. Gehen wir also ins Magazin. Besser gesagt: Versuchen wir dorthin zu gelangen.« Er bedeutete ihnen, ihm zu folgen.
    Melnik trat über die breite Schwelle. Von den beiden Flügeltüren hing nur noch eine in den Angeln, am Rand verkohlt und mit unverständlichen Symbolen verschmiert. Dahinter lag ein kleiner runder Raum, etwa sechs Meter hoch, mit vier Ausgängen. Auch Nummer zehn wandte sich der Flügeltür zu, und in diesem Augenblick trat Danila, der sich unbeobachtet wähnte, an den nächsten Karteischrank heran, zog eine Schublade heraus und entnahm ihr eine der Karten. Hastig überflog er deren Inhalt, verzog das Gesicht, fingerte mühsam den obersten Knopf seines Schutzanzugs auf und steckte die Karte in seine Brusttasche. Als er merkte, dass Artjom alles mit angesehen hatte, hielt er verschwörerisch den Finger an seine Lippen und eilte den Stalkern hinterher.
    Die Wände des runden Zimmers waren mit Zeichnungen und Aufschriften versehen, und in einer Ecke stand ein durchgesessenes Sofa mit völlig zerschnittenem Kunstlederpolster. In einer der Türöffnungen lag ein umgekipptes Büchergestell am Boden, daneben ein Haufen Broschüren.
    »Nichts anfassen!«, warnte Melnik.
    Nummer zehn setzte sich auf

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