Metro2033
handeln. Ein heißblütiger Menschenschlag, immer für einen Streit zu haben. Eine Kiste Dynamit in den Tunnel, eine zweite in den anderen, weit genug entfernt von unserer Station, und los geht's. Eine saubere Sache, kein Blutvergießen, und das Problem ist gelöst.«
»Und was ist dann aus denen dort geworden?«
»Woher sollen wir das wissen? Wir sind erst später hierher gekommen ...«, murmelte Anton.
»Was soll schon aus ihnen geworden sein?«, erklärte der andere Wächter. »Sie sind alle gestorben. Ist doch klar: Wenn du einmal von der Metro abgeschnitten bist, machst du es nicht mehr lange. Die Filter sind wahrscheinlich irgendwann kaputtgegangen oder die Generatoren, oder es gab eine Überschwemmung. An die Oberfläche konnten sie ja schlecht gehen. Mir hat mal einer erzählt, dass die zuerst hier durchgraben wollten, aber irgendwann haben sie es wohl aufgegeben. Diejenigen, die damals hier Wache standen, sollen durch die Rohre Schreie gehört haben ... Aber das hat dann bald aufgehört.« Er räusperte sich, streckte die Hände vor den Ofen, wärmte sie eine Weile, dann blickte er Artjom erneut an. »Das war nicht mal ein richtiger Krieg. Wer kämpft denn so? Da waren ja auch Frauen und Kinder. Alte Menschen, eine ganze Stadt. Und wofür? Weil sie ihr Geld nicht teilen wollten. Sie haben zwar niemanden direkt umgebracht, aber trotzdem. Du willst wissen, was dort auf der anderen Seite der Einsturzstelle ist? Dort ist der Tod.«
Anton schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Melnik beobachtete ihm aufmerksam, öffnete den Mund, als ob er etwas hinzufügen wollte, überlegte es sich aber offenbar anders. Artjom begann zu frieren, und auch er streckte sich den Feuerzungen entgegen, die durch die Ofenklappe stießen. Er stellte sich das Leben an einer Station vor, deren Bewohner glaubten, dass die Gleise von ihnen direkt ins Reich des Todes führten - und begriff, dass dieser seltsame Wachdienst in diesem kurzen Tunnel keine Notwendigkeit, sondern vielmehr ein Ritual darstellte. Wen wollten sie abschrecken? Wen hinderten sie daran, zu ihrer Station und somit in die gesamte Metro zu gelangen? Er fror immer mehr, und weder der Eisenofen noch die dicke Jacke, die er von Melnik bekommen hatte, halfen dagegen.
Plötzlich drehte sich der Stalker blitzschnell um, blickte in den Tunnel zur Kiewskaja, erhob sich und horchte. Nach wenigen Sekunden verstand auch Artjom den Grund von Melniks Beunruhigung: Von dort hörte man schnelle, leichte Schritte, und in einiger Ferne hüpfte das Licht einer schwachen Lampe hin und her, als ob jemand über die Schwellen sprang und aus Leibeskräften auf sie zurannte.
Der Stalker wich zur Seite, drückte sich an die Wand und zielte mit seinem Gewehr auf den Lichtpunkt. Auch Anton erhob sich und blickte in die Dunkelheit. An seiner entspannten
Haltung konnte man erkennen, dass er aus dieser Richtung des Tunnels keine Gefahr befürchtete.
Melnik knipste seine Taschenlampe an, die Finsternis zog sich unwillig zurück, und etwa dreißig Schritte von ihnen entfernt erstarrte eine zerbrechliche Gestalt. Sie stand mitten auf dem Gleis und hob die Hände. »Papa, Papa, ich bin's, nicht schießen!« Es war die Stimme eines Kindes.
Der Stalker nahm den Lichtkegel zur Seite, trat von der Wand zurück und klopfte sich den Ärmel ab. Nach einer Minute stand der Junge bereits vor dem Ofen und blickte verlegen auf seine Füße. Es war Antons Sohn, derselbe, der unbedingt mit zum Wachdienst wollte.
»Ist etwas passiert?«, fragte sein Vater besorgt.
»Nein ... Ich wollte nur so gern mit dir gehen. Ich bin kein kleiner Junge mehr, der die ganze Zeit mit Mama im Zelt sitzen muss.«
»Wie bist du hierher gekommen? Da hinten sind doch Wachen!«
»Ich hab gelogen, dass Mama mich zu dir geschickt hat. Da hinten war Onkel Petja, der kennt mich. Er hat mir nur gesagt, dass ich mich beeilen und ja nicht in irgendwelche Seitengänge schauen soll. Und dann hat er mich durchgelassen.«
»Mit Onkel Petja werde ich noch ein Wörtchen reden«, verkündete Anton finster. »Und du kannst dir schon mal überlegen, wie du das deiner Mutter erklärst. Zurück lasse ich dich allein nämlich nicht mehr.«
»Ich darf also bei euch bleiben?« Der Junge konnte seine Begeisterung nicht mehr zurückhalten und begann herumzuhüpfen.
Anton rückte zur Seite und setzte seinen Sohn auf den angewärmten Sandsack. Dann zog er seine Jacke aus und wollte sie dem Kleinen eben über die Schulter hängen, doch dieser war
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