Metropolis brennt
Wieder ertönte das Zischen, und der Hai stürzte ab – mit dem linken Arm des Contrabitters. Mayda eilte an seine Seite und machte Anstalten, den Rest des Arms abzubinden, um so die Blutung zu stillen.
„Faß mich nicht an!“ keuchte der Contrabitter. „Es ist deine Schuld. Deine Schuld! Ich hätte sie mit der Contrastimme abwehren können. Du hast mich blockiert.“ Er verlor die Besinnung. Mayda kroch erschrocken zurück. Sie hatte die heftige Ablehnung gespürt. Ihre Haut verfärbte sich. Scharlachrot. Eine zweite Erschütterung. Tscherlan stürzte hinunter und prallte auf den Boden. Der Rumpf ächzte und knirschte. Der Windmacher im Heck hantierte verzweifelt an den Gasbehältern. Der Himmelsfalke nahm erneut Fahrt auf.
„Ich hab’ es gesehen“, stöhnte der Jäger und richtete sich auf. „Ein ganzer Schwärm. Weit und breit ist kein Plankton zu erkennen. Nur Lufthaie.“ Der Windmacher zeichnete erneut das Segnungszeichen in die Luft und warf Mayda einen düsteren und gleichzeitig ängstlichen Blick zu. Tscherlan umfaßte ihre Schultern.
„Du mußt uns helfen, Mayda. Du bist der Bittstimme mächtig. Unser Contrabitter ist ausgefallen. Vielleicht gelingt es dir, die Lufthaie zu vertreiben. Es muß dir gelingen. Es sind zu viele …“
„Aber ich …“ Sie fürchtete sich vor der Kraft, die in ihrem Innern wohnte. Sie fürchtete sich vor einem neuen Ausbruch. Tscherlan schüttelte sie. „Du mußt!“ rief er ihr ins Ohr. Die Zirpschreie der Lufthaie kamen näher.
„Da sind sie, da sind sie!“ rief der Windmacher. „Und wir sind nicht schnell genug. Nicht schnell genug!“
„ Versuch es“, drängte Tscherlan.
Mayda nickte zaghaft, schloß die Augen und konzentrierte sich. Sie fürchtete sich davor, in den mentalen Ozean in ihrem Innern einzutauchen, seine Gischt und seine Wellen zu durchpflügen.
„ Versuch es!“
Tscherlan war der einzige, der ihr Vertrauen entgegenbrachte, der sie nicht ablehnte. Sie berührte ihr Tiefenich. Sie schöpfte Kraft. Und sie breitete ihre unsichtbaren Arme aus und berührte die Hirne der näher treibenden Lufthaie. Sie säte Angst und Schrecken in rudimentären Gedanken. Sie holte aus, schöpfte mehr Kraft … und hörte wimmernde Schreie. Sie öffnete die Augen. Der Windmacher wälzte sich am Boden, mit Schaum vor den Lippen. Tscherlans Gesicht war eine schmerzerfüllte Grimasse.
„Zu stark …“ stöhnte der Jäger. „Viel … zu … stark.“
Das Hohlboot stürzte ab. Die Warmspur des Heims befand sich längst weit über ihnen. Die Luftknochenverstrebungen ächzten unter dem zunehmenden Außendruck. Die Planen aus Rochenhaut flatterten.
„Das Ruder …“ Tscherlan kämpfte gegen die Bewußtlosigkeit an. „Das Ruder … wir dürfen nicht tiefer hinab. Der Atmosphärendruck wird uns zerquetschen. Nimm das Ruder, Mayda, ich …“
Mayda wollte sich bewegen, doch ihre Muskeln gehorchten ihr nicht. Wieder sah sie das Bild: sieben Leuchtscheiben, die langsam am Himmel emporkrochen und sich weit oben zu einem Glanzschimmer vereinigten. Sie vernahm eine ferne Stimme, einen warmen Hauch, den Schatten von Zärtlichkeit und Sympathie und … Hoffnung. Das Heim. Sie legte den Kopf in den Nacken. Sie konnte das Heim nicht sehen, aber seine Präsenz fühlen. Ruhe breitete sich in ihrem Innern aus. Die Wellenberge ihres Mentalozeans glätteten sich. Stille. Schweigen. Nur das Rauschen der Kaltströmungen, durch die der Himmelsfalke in die Tiefe trieb.
Sympathie. Und Zuneigung. Vertrauen. Und Hoffnung.
Ihre Sinne erweiterten sich. Sie fühlte die Warmporen an den Rochenhautplanen. Sie tastete in den organischen Mikrokosmos aus Rudimentärnerven und Stoffwechselsystemen. Sie verwandelte und benutzte.
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