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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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müs­sen.“
    „Wir ha­ben nicht mehr viel Zeit“, sag­te May­da lei­se. „Die Mond­sturm­zeit be­ginnt mor­gen wäh­rend der Fins­ter­nis.“ Sie deu­te­te em­por. Die sie­ben Mon­de stan­den eng bei­sam­men. Mor­gen wür­den sie zu ei­nem ein­zi­gen Schim­mer ver­schmel­zen.
     
    Das Zi­schen aus den Gas­po­ren des Heims war wie die Stim­me ei­nes ge­wal­ti­gen, aber un­sicht­ba­ren Un­ge­heu­ers.
    „Komm wei­ter“, sag­te Tscher­lan. „Hab kei­ne Angst.“ May­da blick­te zu­rück. Das gan­ze Dorf war­te­te an den Grenz­mar­ken zur Steu­er­re­gi­on. Es wa­ren dies die rück­wär­ti­gen Be­rei­che des Heims. Der Rand der Welt war nicht fern, und manch­mal klaff­ten tie­fe Ris­se in der Au­ßen­bor­ke, Schäch­te, die bis zu den Nes­sel­fä­den hin­a­b­reich­ten. Sie dienten zur Flug­sta­bi­li­tät des Heims, hat­te Tscher­lan ihr er­klärt. Die Luft war hier et­was rei­ner, et­was sau­be­rer. Die Steue­rer, so wur­de ge­sagt, ver­tru­gen das Hals­krat­zen nicht, das Ver­un­rei­ni­gungs­spu­ren an­de­rer At­mo­sphä­ren­strö­mun­gen manch­mal her­vor­rie­fen. „Be­ach­te sie ein­fach nicht“, riet Tscher­lan. Die Be­sorg­nis in sei­ner Stim­me war un­über­hör­bar. May­da spür­te die miß­traui­sche Au­ra der war­ten­den Au­ßen­welt­ler. Sie sah nach­läs­sig ver­steck­te Waf­fen, und sie zwei­fel­te nicht dar­an, daß man sie be­nut­zen wür­de, soll­te die Stim­m­über­prü­fung durch die Be­gabt­steue­rer nicht das ge­wünsch­te Er­geb­nis er­brin­gen.
    Die Steue­rer la­gen in fla­chen Mul­den und wa­ren durch Hohl­dor­ne mit dem Stoff­wech­sel­sys­tem des Heims ver­bun­den. Sie lausch­ten den Ge­dan­ken der Welt. Sie ga­ben Blut und er­hiel­ten da­für Kon­trol­le über die Steu­er­me­cha­nis­men des Heims: die großen Gas­dü­sen am rück­wär­ti­gen Teil, die Steu­er­häu­te an der Un­ter­sei­te des „Bugs“ und die Gas­kam­mern tief im In­nern des Leibs, die den Auf­trieb ver­stär­ken oder ver­min­dern konn­ten. Es war ei­ne kom­pli­zier­te Auf­ga­be, das Heim ge­nau in der Mit­te der Warm­spur zu hal­ten. Sie er­for­der­te große Er­fah­rung und be­hut­sa­men Um­gang mit der Bitt­stim­me. Nicht weit von der Steu­er­re­gi­on ent­fernt be­fand sich die Ne­bel­zo­ne. Ir­gend­wo im In­nern der um­her­schwe­ben­den und sich nie­mals lich­ten­den Schlie­ren be­fand sich das Heim­hirn, ei­ne ver­bo­te­ne Zo­ne für al­le Au­ßen­welt­ler, selbst die Steue­rer.
    Tscher­lan blieb ste­hen und preß­te May­da an sich. „Wir sind da“, sag­te er. Der Steue­rer in der Mul­de zu ih­ren Fü­ßen öff­ne­te die Au­gen.
    Es wa­ren ro­te Ova­le. „Ich weiß. Die Wei­sen ha­ben uns un­ter­rich­tet. Bist du be­reit, May­da?“
    Sie er­zit­ter­te un­will­kür­lich. Zu­viel hing von der Prü­fung ab. Und sie spür­te, daß ihr nicht mehr viel Zeit blieb. „Ja, ich bin be­reit.“
    Sie hock­te sich nie­der. Und ver­spür­te fast im glei­chen Au­gen­blick einen kal­ten Hauch na­he ih­ren Ge­dan­ken. Wehr dich nicht, sag­te ei­ne Flüs­ter­stim­me. Laß mich in dein Ich schau­en. Da wa­ren noch an­de­re Stim­men, aber sie spra­chen nicht zu ihr. Die Käl­te brei­te­te sich aus, sie er­schau­er­te. In der Fer­ne – viel­leicht in ei­ner an­de­ren Welt – spür­te sie ei­ne Be­rüh­rung an ih­rer Schul­ter. Tscher­lan wahr­schein­lich. Sie konn­te nichts er­ken­nen. Fins­ter­nis war vor ih­ren Au­gen.
    Oh, du bist stark, sag­te die Flüs­ter­stim­me. Und du kennst dei­ne ei­ge­ne Kraft nicht. Paß jetzt auf, May­da. Wir Steue­rer ha­ben Kon­takt zum Heim. Ich wer­de dein Ich mit­neh­men. Du kannst zum Heim spre­chen. Dann wer­den wir wis­sen, ob du ei­ne Pro­phe­tin bist. Oder ei­ne Dunkle.
    May­da ließ sich fuh­ren, und bald schon wur­de die Käl­te von Wär­me ver­drängt. Die Ge­gen­wart des Heims. Sym­pa­thie und Zu­nei­gung und Zärt­lich­keit. Aber auch Angst und Furcht und zu­neh­men­de Be­sorg­nis.
    Wie­der er­schi­en das Bild vor ih­ren in­ne­ren Au­gen: sie­ben em­por­klet­tern­de Mon­de, die schließ­lich ei­ne lan­ge Rei­he bil­de­ten, was vom Heim aus be­trach­tet die Il­lu­si­on schuf, sie

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