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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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und ging ne­ben ihr den schma­len Weg zur Stra­ße wie­der hin­un­ter. Kurz be­vor er die Pro­zes­si­on er­reich­te, dreh­te er sich noch ein­mal um und warf der al­ten Frau einen nach­denk­li­chen Blick zu.
    Die Pro­zes­si­on setz­te sich wie­der in Be­we­gung.
    Sie ver­schwand hin­ter dem Fens­ter­rah­men. Durch die lee­re Stra­ße weh­te ei­ne zer­ris­se­ne Plas­tik­tü­te. Ein rot­wei­ßer Ball hüpf­te aus ei­ner Tor­ein­fahrt. Mit ei­nem Ruck er­wach­te die al­te Frau aus ih­rer Er­star­rung. Ih­re Bli­cke fie­len auf die wei­ßen Ein­drücke, die ih­re Zäh­ne im Fleisch ih­rer Hän­de hin­ter­las­sen hat­ten. Sie stand auf, stol­per­te, rann­te aus dem Zim­mer. Sie eil­te durch das Haus und schloß sämt­li­che Vor­hän­ge. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten war sie wie­der im Wohn­zim­mer an­ge­langt und zog auch dort die schwe­ren Samt­vor­hän­ge zu. Sie schal­te­te den Bild­schirm aus.
    Stil­le und Dun­kel­heit senk­ten sich über das Haus.
    Sie ließ sich in ih­rem Ses­sel nie­der, fal­te­te die Hän­de auf dem Schoß. Vor ih­ren Au­gen fla­cker­te die Dun­kel­heit. Ihr Mund war tro­cken und rauh. Lang­sam be­ru­hig­te sich ihr Herz­schlag.
    Ihr großer Schrank mit ge­strick­ten Er­in­ne­run­gen, dach­te sie. Was hät­te man mit ih­rem Schrank ge­macht, wenn man sie ge­holt hät­te? Hat­ten Ro­bo­ter ein In­ter­es­se an Woll­hand­schu­hen? Ir­gend­wie war es selt­sam, über­leg­te sie, daß die Ma­schi­nen­we­sen im­mer ka­men, be­vor sie einen hol­ten.
    Sie schüt­tel­te sich. Bleib ru­hig, sag­te sie sich. Al­les ist vor­bei, und nichts ist pas­siert. Ein Irr­tum. Und bald wür­de ihr jun­ger Freund kom­men. Sie konn­te schon sei­ne Schrit­te spü­ren.
    Es klin­gel­te.
    Sie er­kann­te die Stim­me, die sie bat, auf­zu­ma­chen. Mit ei­nem ru­hi­gen Lä­cheln stol­per­te sie durch das dunkle Zim­mer, griff nach dem Ge­schenk und ver­la­ger­te es in die lin­ke Hand, als sie die Tür öff­ne­te. Sie fühl­te et­was in sich, fast wie da­mals, als ihr Mann noch nach Hau­se ge­kom­men war: das be­ru­hi­gen­de, freu­di­ge Ge­fühl tiefer Ge­bor­gen­heit.
    Sie öff­ne­te die Tür.
    Ihr Ge­schenk prall­te leicht auf dem Bo­den auf.
    Der schwarz­ge­klei­de­te Mann in der Pelz­ro­be lä­chel­te ihr freund­lich zu.

 
Helmut Krohne
Von Stadt zu Stadt
     
    Er wuß­te, daß er nicht schlief, und den­noch war er nicht wach. Er wuß­te, daß er nicht tot war, aber er leb­te auch nicht. Er konn­te sich nicht be­we­gen und nicht spre­chen, aber füh­len, hö­ren und se­hen. Er wuß­te, daß dies kein Traum war, wie man Träu­me hat in der Nacht.
    Oh­ne daß er es kon­trol­lie­ren konn­te, be­weg­te sich sein Kör­per im schwin­gen­den Rhyth­mus sanf­ter ima­gi­närer Ozean­wel­len, zu­min­dest hat­te er das Ge­fühl, es wä­re so. Über sei­ne Haut husch­ten kal­te Schlan­gen, die ihn in je­der Se­kun­de hun­dert­fach mit ih­ren glü­hen­den, zu­cken­den Zun­gen be­rühr­ten.
    Dann glaub­te er, un­end­lich lang­sam in einen rie­si­gen schwar­zen Tun­nel, in ein rie­si­ges schwar­zes Loch hin­ein­zutau­meln. Am En­de des schwar­zen Tun­nels leuch­te­te ein selt­sa­mes blau­es Licht, das im­mer grö­ßer wur­de. Ver­schwom­me­ne Ge­sich­ter tauch­ten dort auf, Ge­sich­ter, die er nicht er­kann­te, aber von de­nen er wuß­te, daß er sie kann­te. Hin und wie­der sprach ei­ne Stim­me zu ihm, aber auch die kann­te er nicht. Was sie sag­te, war gut und rich­tig, ob­wohl er nicht ver­stand, was sie sag­te. Die Stim­me klang dumpf und tief, fast so, als sprä­che sie von ei­nem Ton­band, das zu lang­sam ab­ge­spielt wur­de. Aber was die Stim­me sag­te, war gut und rich­tig.
    Die Wel­le des Schmer­zes, die ihn im nächs­ten Au­gen­blick über­wäl­tig­te, trieb ihn an den Rand des Nichts. Die sanf­ten Wel­len des ima­gi­nären Ozeans stei­ger­ten sich zu ei­ner chao­ti­schen Spring­flut, sein Kör­per wand sich in spas­ti­schen Zu­ckun­gen. Die kal­ten Schlän­gen zer­ris­sen mit glü­hen­den Fang­zäh­nen sei­ne Haut und spritz­ten ihr ät­zen­des Gift in sein Blut. Das blaue Licht am En­de des un­er­gründ­li­chen Tun­nels er­losch, es blieb nichts zu­rück als bo­den­lo­se

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