Metropolis brennt
gekleidete Männer, die mit gesenkten Köpfen einherschritten. Ein flüchtiger Schauer streifte die Frau. Sie strickte hastig weiter. Man sah in letzter Zeit oft Prozessionen, und im Grunde war es eine gute Sache. Die Stadt kümmerte sich um ihre Einwohner bis in den Tod. Es wurde niemand mehr namenlos verscharrt. Erst vor wenigen Wochen hatte die Frau gehört, daß die Stadt eine Unzahl zusätzlicher Beamter eingestellt hatte, damit für das würdige Begräbnis eines jeden Bürgers Sorge getragen werden konnte. Trotzdem fröstelte es sie, wenn sie die Prozessionen sah. Vielleicht, daß der Tod ihres Mannes ihr allzu deutlich wieder ins Gedächtnis gerufen wurde, vielleicht …
Sie wandte sich ab und starrte krampfhaft auf den brummelnden Bildschirm. Wenn er nur schon da wäre!
Nach einer Weile blickte sie wieder auf die Straße. Jetzt mußte der Zug eigentlich vorbeigewandert sein. Ihre Augen weiteten sich, als sie entdeckte, daß die Prozession haltgemacht hatte. Der leere, offene Sarg lag ruhig auf den geduldigen Händen von sechs Robotern und schien ihr höhnisch zuzublinzeln. Jetzt löste sich aus der Reihe der Schwarzgekleideten ein besonders dicker, mit pelzgefütterter Robe behangener Mann und schritt würdig den schmalen Weg zu ihrem Haus empor.
Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. Die alte Frau schluckte krampfhaft. Was wollte der Prozessionsführer von ihr? Nein, das war unmöglich. Neben ihr, neben … ja, jetzt erinnerte sie sich. Wenige Meter vor ihrem Eingang gabelte sich der Weg und führte zu ihrem Nachbarn, einem alten, kränklichen Mann, der mit seiner Handvoll Katzen so lange sie denken konnte das Nebenhaus bewohnt hatte. Das mußte es sein. Der Alte, dem schon ihr Mann wegen seiner ungesunden Lebensweise einen baldigen Tod prophezeit hatte, zu der Zeit, als sie noch Freunde gewesen waren – der Alte mußte gestorben sein. Diese Erkenntnis durchströmte sie wie eine befreiende Woge.
Sie bückte sich und suchte ihr Strickzeug wieder zusammen, das ihr im ersten Schreck zu Boden gefallen war. In dem flauschigen Teppich hatten sich die langen Nadeln gut versteckt.
Es klingelte.
Sie erstarrte in ihrer gebückten Haltung.
Es klingelte wieder.
Jetzt raste ihr Pulsschlag. Nein, das war kein Irrtum mehr. Sie wollten zu ihr. Sie wollten zu ihr! Sie erhob sich ängstlich und spähte aus dem Fenster. Erneutes Klingeln. In der Prozession begann sich Unruhe auszubreiten. Selbst die Roboter, die den Sarg trugen, schaukelten leicht. Zu den Todgeweihten kamen erst die Roboter, dachte sie. Und: Lieber Gott, bitte hilf mir. Laß es nicht … Hatte man nicht gemunkelt, daß mancher Tod von der Stadt im Interesse aller anderen Bürger geplant werde? Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und grub ihre Zähne hinein. Klingeln. Sie würde nicht aufmachen. Niemals! Wenn er nur endlich …
Der Prozessionsführer war unten ein paar Schritte zurückgetreten und blickte jetzt direkt in ihr Fenster. Schnell versteckte sie sich hinter dem schweren Vorhang aus rotem Samt. Aber er hatte sie schon gesehen. Sie sah es an dem triumphalen Blitzen in seinen Augen, der siegesbewußten Bewegung, mit der er den Kopf herumwarf und sein Gewicht verlagerte, um ihre Tür einzurennen. Ihre Arme zitterten und ließen das Strickzeug erneut fallen. Würden Sie sie bei lebendigem Leibe begraben? Oder würde er sie …
Eine Frau mit schwarzem Schleier brach aus der Prozession aus. Sie zog ihren Schleier zurück und rannte mit bleichem Gesicht zu dem Prozessionsführer. Die alte Frau am Fenster sah, daß sie aufgeregt auf ihn einredete, dabei die Straße hinunter deutete. Schließlich zuckte der Prozessionsführer mit den Schultern
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