Metropolis brennt
Abbildungen darin betrachten, aber dazu kam er nicht mehr. Eine schlecht modulierte Computerstimme bedeutete ihm, daß sein Fahrtziel in dreißig Sekunden erreicht sein würde. Er steckte den Prospekt zurück und wartete, bis die kaum spürbare Verzögerungsphase vorbei war. Die Außentür des Kompartments rollte zur Seite, und er stand auf und betrat den hell erleuchteten Bahnsteig. Er sah mehrere Bläulinge aussteigen und betrat gemeinsam mit ihnen die Liftplattform, die sie auf das Straßenniveau emporhob.
Oben angekommen, blickte er nur kurz über die leere ehemalige Parkfläche, rückte seine Gasmaske zurecht und schritt zielstrebig unter den nur diffus durch den Smog schimmernden Flutlichtlampen nach Hause.
Er war noch drei Straßenzüge von seinem Apartment entfernt, als plötzlich aus einer Eingangsnische zwei Blocks vor ihm eine graue Gestalt hervortrat und langsam auf ihn zuging. Graue Kleidung war für diese vornehme Wohngegend mehr als ungewöhnlich. Dieser Mann mußte ein Fremder sein – und er kam immer weiter auf ihn zu, mit hinter dem Rücken verschränkten Armen.
Ein Stadt-Ranger, fuhr es Norman durch den Kopf, ein Stadt-Ranger, der hier einbrechen wollte und den er nun überrascht hatte. Hastig fingerte er unter seinem Cape in einer der weiten Taschen des Coveralls nach dem Schriller, während der Ranger immer näher kam.
Schließlich bekam er die kleine Pistole zu fassen, zog sie hervor und richtete sie auf den Angreifer. Als dieser aber nur kurz zögerte und dann schnelleren Schrittes auf ihn zukam, zog Norman den Arm mit der Waffe wieder an sich. Er wuß te, daß Lähmgas bei einem ebenso wie er mit einer Gasmaske geschützten Menschen nichts ausrichten konnte, und drückte einen Knopf an der Seite des gedrungenen Geräts ein. Gleich darauf warf er sie dem nur noch zehn Meter entfernten Mann vor die Füße. Während dieser sich instinktiv bückte, drehte Norman sich um und rannte, so schnell er nur konnte, davon.
Als der Schriller begann, seine Ultraschallwellen auszustrahlen, spürte Norman in seinem Körper ein ganz feines Sirren, bevor er durch den Schwung seines Laufs aus dem Wirkungsbereich getragen wurde und mit den Knien auf den harten Asphalt schlug. Er rappelte sich hoch, blickte kurz zu dem Ranger zurück, der neben dem Schriller reglos auf dem Boden lag, einen dünnen, langen Metallstab in einer Hand, und humpelte bis zur nächsten Straßenecke. Dort drückte er die Kommunikationstaste des grellrot leuchtenden Melders und gab dem diensttuenden Schwarzen Bullen den Vorfall zu Protokoll.
Inzwischen hatte sich sein klopfendes Herz etwas beruhigt, und auch sein rechtes Knie tat nicht mehr so weh. Dennoch keuchte er immer noch, als er seinen Block erreichte. Das war jetzt schon der dritte Überfall innerhalb eines Monats.
Schlimmer als in Frankfurt, dachte Norman. Mit einer matten Geste drückte er seine Hand gegen die ID-Scheibe und wurde eingelassen. Das gleiche Spiel wiederholte sich vor der Fahrstuhltür, da die Logikanlage des Hauses nicht so hoch entwickelt war wie die in seinem Büro. Er tippte 2-1 ein und wurde dann sanft und schnell nach oben zu seiner Penthousewohnung getragen. Als hoher Verwaltungsbeamter konnte er sich eine solche teure Wohnung leisten. Die drei anderen Penthouseapartments im obersten Stockwerk standen leer, da es nicht genug zahlungskräftige Mieter gab.
Als endlich die Innentür seiner Desinfektionskabine vor ihm zurückglitt und ihm den Blick auf den anheimelnden, mit dunkelbraunen Samtteppichen bis zur Decke ausgekleideten Flur seiner Wohnung freigab, fühlte er sich sogleich wohler. Norman schnippte zweimal kurz mit den Fingern, und wenige Augenblicke später ertönte aus unsichtbaren Lautsprechern seine derzeitige Lieblingsscheibe, die neueste Digi-Disk vom Altelektroniker Schulze.
Seine Stimmung hob sich augenblicklich weiter, als ihn die wallenden Sphärenklänge durchdrangen, und er warf sich aufatmend auf die große Polsterfläche in seinem Wohnschlafzimmer. In einer der Ritzen fand er die Fernbedienung und schaltete das TiVi ein. Im Ersten gab es gerade Sport, Catchball, eine Variante des früheren Handball. Einer von den Großwallstadt-Muckers, dessen Trikot am Rücken schon ganz blutgetränkt war, trieb gerade einem breitschultrigen Gegner – er konnte nicht erkennen, von welcher Mannschaft dieser war – den rundherum mit ein Zentimeter langen Stahlnägeln besetzten Ball in das Gesicht.
Er leckte sich die Lippen und wartete, bis der
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