Metropolis brennt
Richtung abfuhr. Sobald die Liftplattform unten aufgesetzt hatte, hastete er daher schnell zu dem Bahnsteig, auf dem schon sein Zug stand, dessen Wartelichter gerade von Grün auf Gelb sprangen und damit anzeigten, daß er in dreißig Sekunden abfahren würde.
Er lief zu einem der mit je einem von oben nach unten verlaufenden grünen und orangefarbenen Balken versehenen Abteile und konnte den Entriegelungsgriff gerade noch rechtzeitig umlegen, bevor die Wartelichter auf Rot sprangen und alles sich verriegelte. Die automatische Tür rollte hinter ihm zurück und schlug mit einem leisen, metallischen Klacken zu.
Norman ließ sich schweratmend in einen der beiden weich gepolsterten Elastositze fallen. Er war allein in dem geräumigen Zweier-Kompartment. Um diese Uhrzeit, kurz nach 18.00 Uhr, kein Wunder. Eine Stunde früher hätte er kaum einen Platz gefunden, da hätten sich hier grüngekleidete Beamte und die Wissenschaftler und Ingenieure in ihren orangefarbenen Coveralls gedrängt, und womöglich hätte er mit einem Platz in einem der Gemeinschaftswagen vorliebnehmen und sich zwischen fünfzig Blau- und Gelblingen einen Platz suchen oder auf den nächsten Zug warten müssen. In seiner Stellung konnte er zwar auch einen der anderen Beamten zum Aussteigen zwingen, aber das lag ihm nicht. Zweifellos war er für seine Position etwas zu sentimental.
Er unterbrach diesen Gedankengang mit einem kurzen Seufzer und schaute auf das Fahrtdisplay, dessen kleine Leuchtbalken anzeigten, wo der Zug sich inzwischen befand: Walle 2 – Hansestraße. Er tippte sein Fahrtziel in die an der Wand hängende Tastatur, und auf dem Kontrolldisplay erschienen Buchstaben: Blumenthal 3 – ZK Nord. Der Zug würde nun automatisch in dieser Station halten, falls nicht ein anderer Fahrgast ohnehin ebenfalls dort aussteigen wollte.
Noch fünfzehn Minuten, dann knapp fünf Minuten zu Fuß, und er war in seinem Apartment. Befriedigt lehnte er sich zurück und lauschte dem monotonen Singsang der von dem dahinrasenden Rohrzug komprimierten Luft, die durch den nur millimeterbreiten Spalt zwischen der Tunnelwandung und dem mit fast zweihundert Kilometern in der Stunde dahinschnellenden Metallpfeil des Zuges hindurchpfiff. Diese Geschwindigkeit war jetzt möglich, weil nur wenige Zwischenstopps einzulegen waren. Zwar wäre dies auch bei vielen Stopps technisch möglich gewesen, da die Rohrbahn magnetodynamisch betrieben wurde und die Tunnelwandung nicht berührte, der dabei entstehende Andruck hätte die darin sitzenden Fahrgäste jedoch zerquetscht oder zumindest sehr unangenehm in die Sitze gedrückt.
Norman schaute durch die Sichtscheibe der vorderen Trenntür und konnte auch in den nächsten Abteilen keinen Mitreisenden erblicken. Als er sich umwandte, bemerkte er, daß er in das letzte der Mittelabteile gestiegen war und hinter ihm schon die Waggons für die minderprivilegierten Blau- und Gelblinge begannen. Er sah in dem großen Waggon mit den einfachen querstehenden, plastiküberzogenen Polsterbänken nur wenige Menschen. Gleich hinter der Trennscheibe erblickte er ein Pärchen, das mit umeinandergelegten Armen mitten auf dem schmalen Gang stand und schmuste. Norman sah interessiert genauer hin; er selbst hatte keine Partnerin. Die beiden drängten sich immer heftiger aneinander, und die gelben Ärmel des Mannes glitten immer erregter und schneller am Rücken der jungen Frau entlang.
Plötzlich drückte sich der ihren Rücken umhüllende Stoff des blauen Coveralls fest gegen die Trennscheibe, und ihr dunkles, langes Haar verteilte sich in einem Halbkreis an der Scheibe. Sie löste sich aus der Umarmung und nestelte vorne an ihrer Kleidung, und auch der junge Mann, von dem er nur gelegentlich die Schultern erkennen konnte, hatte seine Arme hinter ihrem Rücken hervorgezogen. Jetzt schlang er sie aber wieder fest um ihre Schultern und drückte mit seinen Handrücken gegen die Scheibe. Norman sah, wie sich der kleine, feste Po der Technikerin rhythmisch mit dem blauen Anzugstoff platt gegen die Trenntür preßte. Angewidert betätigte er den Schalter für die vollständige Polarisie rung des in der Doppelscheibe flimmernden Gases. Das letz te, was er durch die sich schnell verdunkelnde Scheibe bewußt wahrnahm, war die ungewöhnliche Nummer auf dem Rücken der Frau: 3-3-3-3. In aller Öffentlichkeit – wie Tie re, dachte er.
Er zog den kleinen Prospekt, den er zu den Sens-O-disks bekommen hatte, aus der Brusttasche und wollte sich die
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