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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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damals, als ihr Mann noch nach Hause gekommen war: das beruhigende, freudige Gefühl tiefer Geborgenheit.
    Sie öffnete die Tür.
    Ihr Geschenk prallte leicht auf dem Boden auf.
    Der schwarzgekleidete Mann in der Pelzrobe lächelte ihr freundlich zu.

 
Helmut Krohne
Von Stadt zu Stadt
     
    Er wußte, daß er nicht schlief, und dennoch war er nicht wach. Er wußte, daß er nicht tot war, aber er lebte auch nicht. Er konnte sich nicht bewegen und nicht sprechen, aber fühlen, hören und sehen. Er wußte, daß dies kein Traum war, wie man Träume hat in der Nacht.
    Ohne daß er es kontrollieren konnte, bewegte sich sein Körper im schwingenden Rhythmus sanfter imaginärer Ozeanwellen, zumindest hatte er das Gefühl, es wäre so. Über seine Haut huschten kalte Schlangen, die ihn in jeder Sekunde hundertfach mit ihren glühenden, zuckenden Zungen berührten.
    Dann glaubte er, unendlich langsam in einen riesigen schwarzen Tunnel, in ein riesiges schwarzes Loch hineinzutaumeln. Am Ende des schwarzen Tunnels leuchtete ein seltsames blaues Licht, das immer größer wurde. Verschwommene Gesichter tauchten dort auf, Gesichter, die er nicht erkannte, aber von denen er wußte, daß er sie kannte. Hin und wieder sprach eine Stimme zu ihm, aber auch die kannte er nicht. Was sie sagte, war gut und richtig, obwohl er nicht verstand, was sie sagte. Die Stimme klang dumpf und tief, fast so, als spräche sie von einem Tonband, das zu langsam abgespielt wurde. Aber was die Stimme sagte, war gut und richtig.
    Die Welle des Schmerzes, die ihn im nächsten Augenblick überwältigte, trieb ihn an den Rand des Nichts. Die sanften Wellen des imaginären Ozeans steigerten sich zu einer chaotischen Springflut, sein Körper wand sich in spastischen Zuckungen. Die kalten Schlängen zerrissen mit glühenden Fangzähnen seine Haut und spritzten ihr ätzendes Gift in sein Blut. Das blaue Licht am Ende des unergründlichen Tunnels erlosch, es blieb nichts zurück als bodenlose Schwärze.
    Dann tauchte irgendwo weit über ihm ein überdimensionaler Topf auf, der sich wie von unsichtbarer Hand bewegt langsam nach vorn senkte. Erst fielen nur Tropfen des Inhalts über den Rand des Topfes, dann aber ergoß sich sein Inneres wie eine Flut über ihn. Als er spürte, was ihn da ertränken wollte, versuchte er zu schreien, aber kein Laut löste sich aus seiner Kehle.
    Es war Spinat. Ekelhafter, stinkender, giftgrüner Spinat. Er haßte nichts auf der Welt mehr als Spinat.
    Er war froh, als die Schwärze, in die er fiel, schließlich ganz von ihm Besitz ergriff und den Schmerz und den Ekel von ihm nahm.
    … irgendwann hörte er wieder die Stimme, meilenweit entfernt.
    Aber was die Stimme sagte, war gut und richtig.
    Das blaue Licht tauchte wieder vor seinen Augen auf, es war jetzt groß geworden wie eine Kinoleinwand und strahlte eine intensive Wärme aus, wie die Sonne im Zenit. Gesichter erschienen, aber er kannte sie nicht mehr. Er schwebte über ruhigem Wasser und dachte: Wie schön doch die Welt ist.
    Nichts quälte ihn mehr, er war ein Teil der Dinge, und die Dinge waren ein Teil von ihm. Er war glücklich. Die Stimme sprach immer noch zu ihm, und er empfand sie als beruhigend, schön und kraftvoll.
    Alles, was die Stimme sagte, war gut und richtig.
    Sie sagte etwas von einer Tür und einer Ziffer, und das war ein Befehl: Ziffer 883.
     
    Der Flur draußen, der sich zu beiden Seiten endlos lang hinzog, war menschenleer und dunkel. Lediglich die Lichtspur auf dem nackten Steinfußboden zeigte den Weg. Aber Gerold benötigte diese Orientierungshilfe nicht, er wußte auch so, wohin er zu gehen hatte. Er verspürte eine starke innere Unruhe, irgend etwas Wichtiges war zu tun, und zwar hier und jetzt. Wie ein Roboter setzte er einen Fuß vor den anderen. Das leise Echo seiner Schritte brach sich an den kahlen Wänden des schmalen Ganges, doch Gerold hörte das nicht. Statt dessen glaubte er eine Art innere Stimme zu hören, die ihm befahl, auf dem schnellsten Weg dorthin zu gehen, wohin ihn seine Füße auf unerklärliche Weise trugen. Er hielt vor einem hellerleuchteten Fahrstuhl an, dessen stählerne Türen offenstanden, als hätte er nur auf ihn gewartet. Er drückte den obersten Knopf und wartete, bis sich die Türen fauchend schlossen. Seine Unruhe wuchs noch mehr, als der Fahrstuhl unterwegs angehalten wurde.
    Ein älterer, kleiner Mann in einem schmuddeligen Overall trat aus dem Dunkel in das helle Licht des Fahrstuhls.
    „Oberster Stock?“

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