Metropolis brennt
anderswo arbeiten.“
„Das sagen Sie nur, um mich zu verletzen!“
„Überhaupt nicht“, sagte Carmody. „Ich möchte gerne Pilot werden. Wirklich. Ich wollte schon immer Pilot werden. Im Ernst!“
Es folgte eine lange Stille. Dann sagte die Stadt: „Die Entscheidung liegt selbstverständlich bei Ihnen.“ Dies sagte sie mit Grabesstimme.
„Wohin gehen Sie?“
„Spazieren“, antwortete Carmody.
„Um einundzwanzig Uhr dreißig abends?“
„Klar. Warum nicht?“
„Ich dachte, Sie wären müde.“
„Das ist schon einige Zeit her.“
„Ich verstehe. Ich dachte aber auch, wir könnten hier zusammen sitzen und ein wenig plaudern.“
„Das können wir, wenn ich wieder zurück bin.“
„Nein, es ist nicht so wichtig“, sagte die Stadt gekränkt.
„Der Spaziergang ist auch nicht so wichtig“, meinte Carmody leichthin und setzte sich wieder. „Na los, reden wir.“
„Jetzt ist mir nicht mehr nach Reden zumute“, sagte die Stadt. „Bitte gehen Sie spazieren.“
5
„Gute Nacht“, sagte Carmody.
„Verzeihung?“
„Ich sagte: Gute Nacht.“
„Sie gehen schlafen?“
„Klar. Es ist spät. Ich bin müde.“
„Sie gehen jetzt schlafen?“
„Warum denn nicht?“
„Nichts dagegen“, sagte die Stadt. „Aber Sie haben sich noch nicht gewaschen.“
„Oh … habe ich wohl vergessen. Ich werde mich morgen früh waschen.“
„Wie lange ist es her, seit Sie zum letzten Mal gebadet haben?“
„Zu lange. Ich werde morgen baden.“
„Wäre Ihnen denn nicht viel besser zumute, wenn Sie jetzt gleich baden würden?“
„Nein.“
„Auch dann nicht, wenn ich Ihnen das Wasser einlasse?“
„Nein! Verdammt, nein! Ich will jetzt schlafen!“
„Tun Sie ruhig, was Ihnen gefallt“, nörgelte die Stadt. „Waschen Sie sich nicht, studieren Sie nicht, essen Sie keine ausgewogene Diät. Aber dann geben Sie mir auch keine Schuld.“
„Schuld? Woran?“
„An allem“, sagte die Stadt.
„Ja. Aber woran hattest du speziell gedacht?“
„Ist nicht wichtig.“
„Warum hast du dann überhaupt davon angefangen?“
„Ich dachte nur an Sie“, sagte die Stadt.
„Das ist mir klar.“
„Sie müssen wissen, mir ist es nicht dienlich, wenn Sie sich waschen.“
„Das ist mir klar.“
„Wenn man sich sorgt“, fuhr die Stadt fort, „wenn man sich verantwortlich fühlt, dann ist es nicht nett, mit Flüchen bedacht zu werden.“
„Ich habe nicht geflucht.“
„Dieses Mal nicht. Aber heute nachmittag mehrmals.“
„Nun … ich war nervös.“
„Das liegt am Rauchen.“
„Fang nicht wieder damit an!“
„Nein“, versprach die Stadt. „Rauchen Sie wie ein Ofen. Was kümmert ich das?“
„Verdammt richtig“, bekräftigte Carmody und zündete sich eine Zigarette an.
„Aber es ist mein Versagen“, sagte die Stadt.
„Nein, nein“, brauste Carmody auf. „Sag es nicht, bitte nicht!“
„Vergessen Sie es wieder“, sagte die Stadt.
„Schon gut.“
„Manchmal bin ich etwas überempfindlich.“
„Schon recht.“
„Und was erschwerend hinzukommt, ich bin im Recht. Ich weiß, daß ich im Recht bin.“
„Ich weiß“, antwortete Carmody. „Du hast recht, du hast recht, du hast recht, recht, recht, recht recht …“
„Regen Sie sich vor dem Schlafengehen nicht so auf“, sagte die Stadt. „Wie wäre es mit einem Glas Milch?“
„Nein.“
„Sind Sie sicher?“
Carmody bedeckte die Augen mit den Händen. Er fühlte sich seltsam. Außerdem fühlte er sich extrem schuldig, zerbrechlich, schmutzig, krank und schlaff. Er fühlte sich allgemein und unabänderlich schlecht, und so würde es immer sein, wenn er sich nicht änderte, anpaßte, eingewöhnte …
Doch anstatt das zu versuchen, erhob er sich wieder und überquerte die Piazza und eine venezianische Brücke.
„Wohin gehen Sie?“ fragte die Stadt. „Was ist denn los?“
Carmody schritt stumm, mit zusammengekniffenen Lippen am Kinderspielplatz und dem American-Express-Gebäude vorbei.
„Was habe ich falsch gemacht?“ klagte die Stadt. „Sagen Sie es mir doch!“
Carmody antwortete nicht, sondern ging am Rochambeau Café und der portugiesischen Synagoge vorbei, bis er schließlich den Rasenstreifen erreicht hatte, der Bellwether umgab.
„Undankbarer!“ kreischte die Stadt. „Sie sind genau wie alle anderen. Ihr Menschen seid alle eigensinnige Tiere, die niemals mit etwas zufrieden sind.“
Carmody stieg in sein Auto ein und ließ den Motor an.
„Aber natürlich“, sagte die
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