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Metropolis brennt

Metropolis brennt

Titel: Metropolis brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
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Farbschatten: Grellsilber, Dumpfbraun, Hellgrün, Weißbraun, Zartschokolade. Minzfarben und schwarze und zartgraue Schatten.
    Und Stille.
    Vharn haßte die Pillen, die für diese grausamen Eindrücke/Bilder sorgten. Er haßte sie, haßte sie …
    Wieder blitzte die Erinnerung an sein erstes Treffen mit Mirja auf. Sie kauerte vor ihm, richtete den Prograv. Er starrte auf sie hinunter, unfähig, sich zu bewegen. Die Schmerzen waren; wie grelle Feuerspiralen in seinem Körper.
    „Warum tust du das?“ Atemholen. Schmerzen. Dann: „Warum bist du bei den Streeters? Du machst dich unbeliebt.“
    Sie schaute auf, warf ihre langen, samtigen Haarsträhnen in einer energischen Geste zurück. „Man macht sich auch unbeliebt, wenn man an Demonstrationen teilnimmt. Ich nehme trotzdem daran teil.
    Es ist ein Grundrecht. Noch.“ Sie lächelte ihn an. „Soll ich etwa vor der Zukunft Angst haben? Wenn wir – wir alle – nur brav die Hände in den Schoß legen und geil danach bestrebt sind, uns nicht unbeliebt zu machen, dann werden wir keine Zukunft mehr haben.“ Ihr Lächeln verbreitete sich. „Und an ein beschauliches Rentnerdasein will ich heute sowieso noch gar nicht denken.“
    Damals hatte er sie nicht verstanden. War das eine Antwort auf seine Frage? Er mußte darüber nachdenken. Und er mußte Mirja wiedersehen.
    Jetzt, in der Stille des toten Waldes, glaubte er, sie zu verstehen.
    Er lauschte in der Stille, lauschte so intensiv, daß er sich verkrampfte, daß sich seine Hände hart um die Regler klammerten, sich daran festkrallten, daß sein Atem unregelmäßig ging, daß er den silberhellen Strom ihrer Gefühle kaum mehr wahrnehmen konnte.
    Nichts.
    Ihr Atem: gleichmäßig, beruhigend, weil er ihm zeigte, daß er nicht allein war, daß sie bei ihm war und daß sie beide nicht in den Slums waren. Die Geräusche ihrer Schritte – gleichmäßig, beinahe monoton, aber auch sie beruhigend. Nein, er war nicht allein. Er war nicht allein.
    Er brauchte den Impuls nicht zu geben, er brauchte den Kopf nicht drehen zu lassen, um sie anzusehen, er wußte: Sie ist da, sie ist an meiner Seite, sie geht neben mir, und sie empfindet kein Mitleid, sondern Sympathie. Echte Sympathie.
    Seine Muskeln lockerten sich, sein verkrampfter Körper schmerzte, prickelnde Flutwellen, die ihn wie die Ausläufer karmesinroter Lava durchzuckten. Sein Atem kam plötzlich röchelnd, er mußte husten, ein körperschüttelnder Anfall, der ihr einen erschrockenen, leisen Schrei entriß.
    „Vharn!“
    „Nichts, es ist nichts“, erwiderte er hastig.
    Er gab den Impuls, sein Kopf wurde von der Hartplastumklammerung bewegt, sein Gesicht wandte sich ihr zu, und er sah zu ihr hinunter, gab seinem Gesicht einen Ausdruck milden Lächelns, weil er nicht wollte, daß sie sich Sorgen machte.
    In das silberhelle Klingen mischte sich ein dumpfer Ton, ein düsterrotes Summen. Er wollte ihn nicht hören. Ein Wangenmuskel zuckte. Aber er hielt ihrem forschenden Blick stand und lächelte weiterhin. „Die Krankenschwester geht mit dir durch“, spottete er. „Ich habe mich nur verschluckt. Vor lauter Ehrfurcht“, fugte er hinzu.
    „Du hättest dir etwas brechen können.“
    „Nicht durch diesen kleinen Husten. Da muß schon ein schwererer kommen.“
    Sie sah ihn noch immer zweifelnd an. „Du magst es nicht, wenn man sich um dich sorgt.“
    „Nein.“
    „Auch wenn man es tut, weil man dich gerne mag?“
    „Dann erst recht nicht.“
    Sie hob die rechte Hand, streichelte ihm sanft über die Wange und ging dann weiter. Er folgte ihr.
    „Man sieht den Himmel nicht mehr“, sagte sie nach einer Weile. „Kein Blaurot mehr hinter den Schneeästen.“ Stille. Atemholen. Ein leiser Seufzer. „Irgendwie kommt man sich verloren vor. Der einsamste Mensch auf dieser Welt.“
    „Und? Das gefällt dir nicht?“ Er konnte den lauernden, bissigbösartigen Unterton in seiner Stimme nicht verhindern, fühlte sich ertappt, wandte sein Gesicht wieder geradeaus. „Wir sind jetzt im alten Bezirk. Er soll abgeholzt werden, stand gestern in den Zeitungen. Obwohl hier noch 58% der Bäume gesund sind. Sie wollen etwas Neues ausprobieren, und weil sie dafür Platz brauchen und weil sie die Chemie-Werke oder die Stadtautobahn nebenan nicht gut abreißen können, muß eben der alte Bezirk des Waldes dran glauben.“ Er lachte hart und krächzend und verächtlich. „Künstliche Bäume heißt der Zauber-Slogan. Bäume, die dem Säureregen trotzen. Irgendwie paßt es ja. Ich meine,

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