Mettwurst ist kein Smoothie
übersehen, dass mein persönlicher Tanz-Horizont aus unrhythmischer Gewichtsverlagerung von links nach rechts besteht und meine persönliche Tanz-Erdscheibe direkt danach einfach aufhört. Wenn ich doch mal weitergehe, stürze ich in einen tiefen Abgrund aus Peinlichkeit und Albernheit, bis ich ganz unten auf Lars Riedel plumpse.
Als hätte ich noch eine Bestätigung dafür benötigt, dass das lateinamerikanische Hüftgeschwinge nichts für mich und für die meisten Deutschen ist, bin ich durch Zufall mal in einen Salsa-Kurs in Köln-Ehrenfeld geraten. (Na ja,
Zufall
: Ein paar Freunde hatten mir zu meinem 35 . Geburtstag einen Gutschein geschenkt. Weil ich nach einem Gran-Bife-de-Lomo-Filet im Kölner Steakhaus «El Gaucho» wohl mal gesagt habe, im nächsten Leben wolle ich Argentinier werden. Wenn ich so drüber nachdenke, würde ich das Wort
Freunde
da oben gerne in Anführungszeichen setzen.)
In der Mitte des Raumes (einem Bürgerzentrum, in dem sonst nur Dinge stattfinden, die wir Deutschen können: Vereinssitzungen, Weihnachtsbasars und spaßfreie Kabarettabende) stand Alberto aus Südamerika mit langen, schwarzen Haaren und einer leichten Jute-Weste, die seine durchtrainierte Brust nur halb bedeckte. Alberto sagte Sätze wie: «Ihr musse se-püre de Feuer von Archentina.» Um ihn herum standen wir, die bleichen deutschen Mittdreißiger Sonja, Malte, Wiebke und ich, und suchten also in uns das Feuer Argentiniens. Wir fanden es nicht. In uns blies höchstens so ein stark eingestaubter Siemens-Heizlüfter, wie man sie nur noch aus studentischen Badezimmern kennt. Leider tanzten wir trotzdem. Als Alberto irgendwann die Augen verdrehte und stöhnte: «Ihr verletze mich, meine Land und meine Se-tolz!», beschloss ich, mich von nun an und in alle Zukunft nur noch dem zu widmen, was auf «de Feuer von Archentina» gegrillt wird.
Zum Glück ist Salsa fast schon wieder out. Doch kaum ist die eine Rhythmuswelle vorbei, schwappt bekanntlich die nächste heran. Eine der letzten hieß «Capoeira» – ein traditioneller brasilianischer Kampftanz mit sehr vielen Drehungen und Verrenkungen. Schon beim Wort «Kampftanz» wurde ich skeptisch, denn für mich klingt das genauso logisch wie «Aggro-Kuscheln». Trotzdem sieht man im Sommer in Kölner Parks nun immer wieder deutsche Capoeira-Schüler, die ihre tofufarbene Brust ungelenk im Sonnenlicht verrenken, bis dann ein durchtrainierter halbnackter Brasilianer kommt und die Jungs mit einem einzigen Hüftschwung zurück an den Grill katapultiert.
Da sage ich: Nicht mit mir, denn das verletze mich, meine Land und meine Se-tolz!
Seit ungefähr einem Jahr ist die wohl ultimative Demütigung in Deutschland angekommen: «Zumba». Das ist spanischer Slang für «sich schnell bewegen und Spaß haben». Also in etwa das, was der Deutsche «Autobahn» nennt. Allerdings gehören zu Zumba kein Sechszylinder und Asphalt, sondern ein «farbenfrohes und kreatives Outfit und ein lizenziertes Fitness-Studio», wie mich eine der vielen einschlägigen Homepages belehrte. Auf diesen Seiten findet man auch die rührende Entstehungsgeschichte des neuen Trends: «Zumba Fitness wurde Mitte der neunziger Jahre von dem Kolumbianer Beto Perez entwickelt, einem bekannten Fitness-Trainer, der auch als Choreograph für internationale Superstars der Popmusik tätig ist.» Aha, dachte ich, «internationale Superstars der Popmusik». Wieder so eine Floskel, bei der ich skeptisch werde. Klingt, wie wenn beim Teleshopping eine Pfanne damit angepriesen wird, dass sie «Material aus der Raumfahrt» beinhaltet. Ich las weiter: «Eines Tages ging Beto in seinen Workout-Kurs und stellte fest, dass er seine Aerobic-Kassetten vergessen hatte. Er konnte nur seine eigenen Kassetten aus dem Auto holen, auf denen sich eine Mischung aus traditioneller Latin-, Salsa- und Merengue-Musik befand.» Und zu dieser Musik improvisierte der Herr Beto dann ein Programm, nannte es Zumba, setzte ein ® dahinter, verkaufte es in die ganze Welt, und seitdem gibt es Zumba in Fitness-Studios, in Volkshochschulen, auf Spielekonsolen und als Modelinien und bestimmt auch bald als «farbenfrohes und kreatives Roggenmischbrot in einer lizenzierten Zumba-Bäckerei».
Aber, lieber Herr Perez, ich hätte da einen Vorschlag. Wenn Sie das nächste Mal zu einer Aerobic-Stunde kommen und merken, dass Sie Ihre Kassetten vergessen haben, machen Sie bitte zwei Dinge. Erstens: Überlegen Sie sich, was bei Ihnen schiefgelaufen ist,
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