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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Antwort.
    Als ich meine Zigarette geraucht hatte, ging ich an Deck und schlenderte nach vorn, um mir dort die Arbeit anzusehen. Über mir hoben sich die Formen der Segel undeutlich von dem sternenübersäten Himmel ab. Die Segel sollten gemehrt werden, aber es schien sehr langsam zu gehen. – Jedenfalls kam es selbst mir, der doch der reinste Anfänger auf diesem Gebiet war, so vor. Kaum zu erkennende Männergestalten zogen in langen Reihen an Tauen. Sie arbeiteten unter mürrischem, müdem Schweigen, obgleich der allgegenwärtige Pike Befehle fauchte und schwefelstinkende Flüche und Verwünschungen auf ihre sündigen Köpfe schmetterte.
    Nach allem, was ich über Seefahrten gelesen hatte, stand unerschütterlich bei mir fest, daß kein Schiff je unter so traurigen Verhältnissen und so vielen falschen Griffen in See gestochen war. Es dauerte nicht lange, so kam auch Mellaire und half Pike, die Leute zurechtzuweisen und zu kommandieren. Es war noch nicht acht Uhr abends, und alle Mann waren an Deck. Es schien, als ob die Leute nicht einmal die Taue kannten. Hin und wieder sah ich einen der beiden Steuermänner auf die Reling springen und den Leuten das richtige Tau in die Hand drücken. Ich dachte mir schließlich, daß die Männer an Deck die unfähigsten wären. Von oben hörte ich nämlich Rufe und Geräusche, aus denen ich schloß, daß diejenigen, die als etwas befahren gelten konnten, dort oben im Begriff waren, die Segel loszumachen.
    Aber an Deck! Zwanzig oder dreißig von den armen Teufeln zogen an einem Tau, um eine Rahe aufzuheißen, aber sie taten es ohne jedes Zusammenspiel der Kräfte und mit peinlich langsamen und schlaffen Bewegungen.
    »Alle Mann hieven, alle zugleich, hiev ahoi!« brüllte der Steuermann. Und dann gelang es ihnen mit Mühe, ein paar Fuß weiterzukommen, bis sie wieder stehenblieben. Sobald jedoch einer der Steuermänner hinzusprang und mit seinen Kräften half, ging es ohne Halt über das ganze Deck. Denn waren die Steuermänner auch alte Leute, so wog doch jeder von ihnen ein halbes Dutzend dieser Schwächlinge auf.
    »Das ist alles, was heute noch von Seeleuten übriggeblieben ist!« Pike machte eine kleine Pause, um mir das ins Ohr zu fauchen.
    »Es ist sonst nicht Sache der Offiziere, hier zu hieven und zu schuften. Aber was zum Deibel soll man machen, wenn die Bootsleute schlimmer sind als die Matrosen?«
    »Ich dachte, Seeleute singen immer beim Hieven?« sagte ich.
    »Tun sie auch. Wollen Sie hören?«
    Ich spürte den Spott in seiner Stimme, sagte aber doch, daß ich es gern hören möchte.
    »Hör mal her, Bootsmann!« knurrte Pike. »Wach mal auf! Laß singen. Das große Marsfall!«
    In der Pause, die jetzt folgte, hätte ich wetten mögen, daß Sundry Buyers seine Hände gegen den Unterleib drückte, während Nancy sich, das Gesicht in unendlicher Hoffnungslosigkeit erstarrt, die Lippen netzte, um mit dem Gesang zu beginnen.
    Er war es auch, der jetzt begann, denn ich glaube nicht, daß ein anderer eine so klägliche Begräbnisstimme erhoben hätte. Es klang unmusikalisch und unschön, leblos und unbeschreiblich ungemütlich. Die Worte selbst aber zeigten, daß sie eigentlich vor Feuer und Wildheit brausen und jauchzen sollten, denn was Nancy so wehmütig ableierte, lautete:
    »Fern, fern, fern von hier… Schöne Stiefel hat Paddy Doyt, deshalb woll’n wir ihn töten heut…«
    »Halt die Schnauze! Aufhören!« brüllte Pike. »Es ist kein Begräbnislied! Ist denn keiner, der was singen kann? Na, man los, das Lied von der Großmarsrahe!« Er unterbrach sich und war mit einem Sprung auf der Finknetzreling, um den Leuten die falschen Taue wegzunehmen und ihnen die richtigen in die Hand zu stecken. »Und jetzt los, Bootsmann! Hiev ahoi!«
    Aus der Finsternis stieg Sundry Buyers Stimme auf, heiser und hüstelnd und noch schauriger als die Nancys.
    »Heißt auf die Großmarsrahe – den Whisky her, Johnny!«
    Der zweite Vers war ein Kehrreim, der im Chor gesungen werden sollte, aber nur zwei schwache Stimmen fielen ein. Mit zitternder Stimme sang Sundry Buyers die nächste Strophe:
    »Am Whisky starb mein Schwesterlein – den Whisky her, Johnny!«
    Da aber griff Pike ein, nahm das Tauende, das dem Koveinagel am nächsten hing, und erhob seine Stimme, die seltsam fremd und wild klang:
    »Am Whisky starb mein Alter auch! Den Whisky her, Johnny!«
    Er sang eine nach der anderen der einfachen, wilden Strophen und versetzte die Mannschaft in eine solche Stimmung, daß sie ihre

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