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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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überfallen, den Säulen des Herkules getrotzt, das Mittelmeer geplündert und auf den Herrscherthronen sanfter, sonnenwarmer Völker gesessen. Ich bin aus dem Blute von Helden, die noch viel, viel älter als sie sind. Ich habe die vereisten Meere bekämpft und besiegt, und Tausende von Jahren davor, noch ehe die Eiszeit kam, habe ich meine Schultern in Rentierblut getaucht, das Mastodon erschlagen und den Bericht meiner Heldentat an die Wände tief verborgener Höhlen gekratzt.«
    Sie lachte ein bezauberndes Lächeln. Aber ein Schneegestöber kam über uns und zerschnitt unsere Wangen. Die Elsinore wurde auf die Seite geschleudert, als sollte sie sich nie wieder aufrichten – wir aber klammerten uns fest und flogen in schwindelerregendem Bogen durch die Luft. Margaret ließ, immer noch lachend, eine Hand los und zog mich zu sich.
    »Ich versteh’ gar nichts davon«, rief ich. »Es klingt wie ein Gedicht. Aber ich glaube es. Es muß so sein, denn es war einmal so. Und ich habe es vor langer, langer Zeit gehört, als fellbekleidete Männer es vor Feuern sangen, die den Frost und die Nacht verscheuchten.«
    »Und die Bücher?« erkundigte sie sich spöttisch, als wir uns anschickten, hinabzuentern.
    »Die können zum Teufel gehen, nebst all den gehirnschwachen, weltkranken Narren, die sie geschrieben haben«, antwortete ich.
    Und wieder lachte sie ihr berauschendes Lachen – aber der Wind verwehte den Laut, als sie sich in den Raum hinausschwang. Sie spannte alle Muskeln und schwebte frei in der Luft, bis ihre Füße den Halt gefunden hatten, den sie nicht sehen konnte. Dann verschwand sie unter dem gefährlichen Mars aus meinem Gesichtskreis.

    »Was kostet der Tabak heute?« fragte Mellaire, als wir uns heute morgen an Deck begrüßten. Ich war müde und wie zerschlagen. Alle Knochen und Muskeln schmerzten, nachdem ich sechzig Stunden lang vom Sturm herumgeworfen worden war.
    Jetzt war es wieder windstill, und die Elsinore, deren wenige Segel gegen die Masten schlugen, schlingerte schrecklicher als je. Mellaire wies nach Steuerbord – ich sah dort eine dunkle Küste mit weißen, zerklüfteten Klippen schimmern.
    »Staten Island, das östliche Ende«, sagte Mellaire.
    Und ich wußte, daß wir jetzt die Position erreicht hatten, von der aus ein Schiff die Umsegelung von Kap Hoorn in Angriff nimmt. Wir hatten vor drei Tagen nur wenige Meilen vor Kap Hoorn gelegen. Jetzt konnten wir wieder von vorne anfangen!
    Die Verhältnisse, unter denen die Matrosen arbeiteten, sind tatsächlich erschütternd. Während des Sturmes wurde das Mannschaftslogis zweimal unter Wasser gesetzt – und das bedeutet, daß alles, was sich darin befand, herumschwamm, daß alle Kleider, Bettdecken und Matratzen durchnäßt wurden und naß bleiben werden, bis wir Kap Hoorn gerundet haben! Erst wenn wir in die Gebiete kommen, wo besseres Wetter herrscht, können sie wieder trocknen. Dasselbe gilt natürlich vom Mittschiffshaus. Und es gibt keine Öfen in diesen Räumen, so daß es den Leuten unmöglich ist, ihre Sachen zu trocknen.
    Die Matrosen tragen schon die Spuren der schweren Arbeit, die sie leisten müssen. Es ist verblüffend, wie mager und eingefallen ihre Gesichter in der kurzen Zeit geworden sind. Und doch – es mag seltsam klingen, trotz ihren ausgemergelten mageren Gesichtern sehen sie aus, als wären sie groß und dick geworden. Aber diese anscheinende Fettleibigkeit ist nur die Folge von den vielen Kleidungsstücken, die sie auf dem Leibe haben. Dazu bewegen sie sich wie die Elefanten, denn sie haben sich die Füße über den schweren Seestiefeln noch mit Sackleinen umwickelt.
    Es ist auch wirklich kalt, obgleich das Thermometer heute gegen Mittag nur wenige Grad unter Null zeigte. Ich habe Wada die Kleidung, die ich an Deck trage, wiegen lassen – ohne Ölzeug und Seestiefel sind es schon achtzehn Pfund. Und doch ist mir durchaus nicht warm genug, wenn es weht. Wie sich Leute, die einmal eine Fahrt um Kap Hoorn gemacht haben, wieder für eine solche Reise anheuern lassen können, ist mir ganz unbegreiflich.
    Die Tage verstreichen – wenn man das düstere Grau, das die völlige Finsternis unterbricht, überhaupt Tag nennen kann. Seit einer Woche haben wir die Sonne nicht zu sehen bekommen. Einmal trieb uns ein Sturm bis ungefähr hundert Meilen südlich von Kap Hoorn – dann kam aber ein anderer Sturm aus Südwesten, der unser Vormarssegel zerriß, das nagelneue Gaffelsegel aus dem Liek zerrte und uns auf irgendeinen nur zu

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