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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Käpt’n«, sagte Nasen-Murphy. »Es sind Ertrunkene. Sie sind über Bug an Bord gekommen. Sörensen hat sie zuerst gesehen. Er zeigte sie mir. Und da sah ich sie, auf dem Verdeck der Back. Und Olansen sah sie, und Deacon und Hackey… alle sahen wir sie, Käpt’n… auch den zweiten… und als die andern wegliefen und ich noch einen Augenblick stehenblieb, bekam ich auch den dritten zu sehn… vielleicht sind es noch mehr… ich hab’ nicht gewartet.«
    Kapitän West befahl ihm zu schweigen.
    »Steuermann«, sagte, er, und er schien sehr müde zu sein, »wollen Sie mal dem Unsinn gründlich nachgehen und sehen, was los ist.«
    »Jawoll, Käpt’n«, antwortete der Steuermann. Dann wandte er sich zu den Leuten. »Kommt mal mit, alle zusammen!«
    Aber die Matrosen schauderten vor ihm zurück – sein Befehl erfüllte sie mit Grauen.
    »Bande!« hörte ich Pike vor sich hinmurmeln, dann schwieg er mitten im Satz.
    Er drehte sich um und ging über die Laufbrücke. In derselben Reihenfolge wie das vorige Mal folgten wir ihm, Mellaire als zweiter, ich als letzter. Auf der Decke des Vorderkastells blieben wir stehen. Vergebens ließ Pike seine Taschenlampe aufblitzen, wir konnten nichts sehen als das weißaufschäumende schwarze Wasser an Deck, nichts hören als das Heulen des Sturmes in der Takelung und das krachende Dröhnen der Sturzsee. Langsam gingen wir weiter bis zum Galion, wo wir stehenbleiben und uns festkrallen mußten, da eine See über uns hereinbrach.
    Pike leuchtete zwischen die Schaumspritzer vor uns… da hörte ich einen erstaunten Ausruf von ihm. Begleitet von Mellaire ging er weiter, während ich wartete. In den Pausen zwischen den Sturzseen konnte ich das Aufflackern des kleinen Lichtstrahls sehen, bald tauchte er auf, bald verschwand er wieder. Einige Minuten darauf kam der Steuermann wieder zu mir.
    »Unser Vorgeschirr ist zur Hälfte dahin«, erzählte er mir. »Wir müssen einen Zusammenstoß gehabt haben.«
    »Als Sie vorhin nach unten gingen, habe ich auch so etwas wie einen Stoß gemerkt, Steuermann«, sagte Mellaire; »aber ich dachte, es wäre bloß die See.«
    Unter Führung Pikes durchsuchten wir das Deck und das Finkennetz zwischen Galion und Back. Dann trat der Steuermann in die Tür zum Mannschaftslogis, und der Lichtschein seiner Lampe zerschnitt wie ein Dolch den dunklen Raum, der von der schlecht brennenden Funzel an der Decke kaum erhellt wurde. Und jetzt sahen wir die Teufel. Nasen-Murphy hatte recht gehabt… es waren drei.
    Der Raum war naß und eiskalt. Die stählernen Wände, deren Farbe in großen Fetzen abgeplatzt war, waren von Rostflecken übersät, die Decke war niedrig, und doch hingen zwei Reihen Kojen übereinander. Der ganze Raum stank nach den Ausdünstungen und dem Schweiß der dreißig Matrosen. In einer Oberkoje lag Andy Fay in Ölzeug und Seestiefeln und beobachtete uns mit seinen bösen Augen. An dem ungehobelten Tisch saß Mulligan Jacobs und rauchte seine Pfeife, während er die Beine in dem zischenden Wasser hin und her baumeln ließ. Mit feierlichen Blicken starrte er die drei Männer an, die nebeneinander standen. Sie waren nicht sehr groß, diese Männer, die Seestiefel trugen und mit Blut beschmiert waren. Und sie schwankten im Takt mit den Bewegungen der Elsinore hin und her.
    Aber was für Männer! Ich habe den Auswurf von allerlei Rassen gesehen, aber wo ich diese drei Männer unterbringen sollte, wußte ich wirklich nicht. Sie waren nicht blond, aber ebensowenig dunkel. Sie waren weder braun noch schwarz, noch gelb. Ihre Haut war weiß unter der Bronze, die Wetter und Sonne gebräunt hatten. Ihr Haar war naß, aber man konnte doch erkennen, daß es völlig farblos, fast sandfarbig war. Aber ihre Augen waren dunkel – und doch wieder nicht dunkel. Sie waren von der Farbe des Topas, eines bleichen Topas, und funkelten verträumt wie die Augen großer Katzen. Sie sahen uns auch an wie Menschen, die Schlafwandler sind, dieses Diebesgut des Sturmes, diese fahlhaarigen Kinder des Windes mit den fahlen, topasfarbigen Augen. Sie grüßten nicht, sie lächelten auch nicht, sie gaben kein Zeichen, daß sie unsere Anwesenheit bemerkten, außer, daß sie uns träumerisch anstarrten.
    Aber Andy Fay hatte gleich einen Gruß für uns bereit.
    »Eine höllische Nacht heute, und kein Auge kann man schließen bei all der Spukerei«, sagte er.
    »Wer zum Teufel hat die nur in so einer Nacht hergebracht?« klagte Mulligan Jacobs.
    »Du hast ja eine Zunge im Maul –

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