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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Bis jetzt hätten sie es wie die Taugenichtse in einem feinen Hotel gehabt, von heute ab aber müßten sie schuften.
    »Gott helfe dem Mann«, erklärte er, »der nicht springen will. Das ist alles, was ich zu sagen habe. Und jetzt an die Arbeit.«
    Die Mannschaft befand sich jedoch wirklich in einem schrecklichen Zustand. Wir hatten wieder eine. Woche mit westlichen Stürmen, die mit völliger Windstille abwechselten, und wir haben bereits sechs Wochen vor Kap Hoorn verbracht. Die Leute sind so entkräftet, daß weder Arbeitslust noch Mut in ihnen übrig ist… nicht einmal in den Banditen. Sie haben eine solche Angst vor dem Steuermann, daß sie tatsächlich ihr Bestes tun, um zu »springen«, wenn er sie antreibt. Mellaire schüttelt den Kopf.
    »Warten Sie nur, bis wir um Kap Hoorn gekommen sind und das Wetter besser wird«, sagte er zu meinem Befremden gestern nachmittag. »Warten Sie, bis sie wieder trocken und ausgeruht und ihre Wunden geheilt sind, bis sie mehr Fleisch auf ihre Knochen und etwas mehr Feuer ins Blut bekommen haben – dann werden sie sich dies Antreiben nicht mehr gefallen lassen. Herr Pike versteht nicht, daß die Zeiten sich geändert haben. Er ist ein alter Mann; ich weiß, wovon ich spreche.«
    »Weil Sie auf das Gerede der Matrosen gehört haben«, schleuderte ich ihm ins Gesicht, da es meinen tiefsten Unwillen erregte, daß ein Offizier des Schiffes sich unkorrekt benahm.
    Das saß, denn mit einem Schlage verschwand der süßliche Ausdruck aus seinen Augen, und das furchtbare Wesen, das in seinem Schädel lauerte, schien sich auf mich stürzen zu wollen. Dann beherrschte er sich, der Mund zog sich zusammen; die süßliche, höfliche Schicht legte sich wieder über seine Augen.
    »Ich meine, Herr Pathurst«, sagte er sanft, »daß ich auf Grund langjähriger Erfahrungen sprechen darf. Die Zeiten haben sich geändert. Die alten Tage des ›Antreibens‹ sind vorbei.«
    Dann kam die Unterhaltung auf etwas anderes. Aber bei alledem ist er – wie auch Pike knurrend zugibt – ein guter Seemann und Untersteuermann, abgesehen von seiner ungehörigen Vertraulichkeit mit den Leuten vor dem Mast – einer Vertraulichkeit, die selbst der chinesische Koch und der chinesische Steward als unseemännisch und gefährlich verurteilen.
    Drei Leute gibt es in der Back, die so lebendig wie je sind. Das sind Andy Fay, Mulligan Jacobs und Charles Davis. Man begreift einfach nicht, welch ungeheuerliche, abgrundtiefe Lebenskraft in ihnen steckt. Viel stärkere und bessere Männer als sie sind über die Reling gegangen oder liegen jetzt in hoffnungsloser Körperschwäche in den nassen Kojen des Logis. Und Andy Fay und Mulligan Jacobs, diese beiden Jammergestalten, die von der Flamme ihres bösen Hasses durchglüht werden, tun ihre volle Pflicht und folgen ohne Rücksicht auf ihre Freiwachen jedem Ruf. Unsere drei Kap-Hoorn-Zigeuner, unsere Sturmgäste mit den träumerischen Topasaugen, sind auch nicht ohne Kraft und Lebenslust. Die übrige Mannschaft hält sich in törichtem Aberglauben von ihnen fern und zudem sind sie ja auch schon wegen ihrer Sprache, die keiner versteht, den andern ganz fremd. Sie sind indessen sehr gute Seeleute und immer die ersten bei jeder Arbeit oder Gefahr. Sie sind der Wache des Untersteuermanns zugeteilt worden und halten sich völlig für sich.
    Aber die andern! Der Malteser-Londoner ist nur ein Schatten seiner selbst. Tom Spink, der sonst stählerne Nerven hat und ein ausgezeichneter Seemann ist, selbst er ist in dem Maße zusammengebrochen, daß er – wenn er auch seine Pflicht tut – weder Stolz noch Scham kennt.
    »Nie wieder um Kap Hoorn, Herr«, sagte er neulich, als er am Steuer stand und ich ihm guten Morgen wünschte. »Das habe ich freilich auch früher schon geschworen, aber diesmal soll es ernst sein. Nie wieder, Herr… nie wieder!«
    Heute morgen hat Tom Spink mir sein Herz ausgeschüttet: »Wenn doch bloß der Zimmermann und nicht Boney über Bord gegangen wäre.«
    Ich verstand nicht gleich, was er eigentlich meinte, aber dann fiel es mir ein. Der Zimmermann war ja Finne, also ein Hexenmeister, der allerlei geheime Kniffe mit den Winden machte und sein Spiel mit den armen Seeleuten trieb…
    Und die Matrosen müssen springen. Pike treibt sie mit seinen Quaderblöcken von Fäusten gründlich an, wie die Gesichter mehrerer Leute zur Genüge bezeugen. So schwach sind sie, und so furchtbar ist er, daß ich schwören möchte, er könnte allein eine ganze Wache auf

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