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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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hingegen hegte gewisse Befürchtungen.
    »Es geht nicht«, vertraute er mir an, »daß man ein Kauffahrteischiff antreibt, als wäre es eine Rennjacht. Ich weiß auch, was Hetzen heißt, aber das macht man mit Schiffen, die dazu gebaut sind. Unsere stählerne Takelung hält das nicht aus. Es ist Mord und Verbrechen, die Elsinore bei diesem Wetter mit Kreuzsegel, Besan und Leesegel laufen zu lassen. Und wenn etwas passiert, Herr, wenn das Schiff dem Steuer, wenn auch nur für Sekunden, nicht gehorcht und nicht sofort beidreht…«
    »Was dann?« fragte oder vielmehr rief ich. Denn jedes Gespräch mußte man in dieser verrückten Kühlte einander ins Ohr brüllen.
    Er zuckte die Achseln so beredt, wie wenn er das Wort ausgesprochen hätte, das verhängnisvolle Wort: Erledigt…
    Heute morgen gegen acht Uhr gingen Margaret und ich auf der Kampanje im ewigen Kampf mit dem Winde auf und ab. Der alte unbesiegbare Mann aus Eisen war immer noch da. Er war die ganze Nacht an Deck geblieben. Und doch waren seine Augen ganz klar; er schien sich äußerst wohl zu befinden, rieb sich die Hände, begrüßte uns heiter kichernd und erzählte alte Erinnerungen.
    »Wissen Sie, Fräulein West, einundfünfzig, da machte die Flying Cloud mit gesetzten Reuein dreihundertvierundsiebzig Meilen. Es war genau hier in dieser Gegend. Das kann man segeln nennen.«
    »Wie schnell laufen wir jetzt, Herr Pike?« fragte Margaret, die auf das Große Deck hinunterblickte, wo sie bald die eine, bald die andere Reling in die See tauchen sah, während mächtige Wassermengen das Deck überfluteten.
    »Dreizehn durchschnittlich seit fünf Uhr gestern nachmittag«, rief er begeistert. »In den Böen aber sechzehn. Das ist schon was für die Elsinore.«
    Die Matrosen bekamen an diesem Tage kein Frühstück. Dreimal wurde die Kombüse überflutet, die Leute mußten sich mit Zwieback und kaltem Pökelfleisch begnügen. Gegen Mittag überholten wir ein Schiff, das rechts voraus lag. Es führte die Untermarssegel und ein Bramsegel. Von den Untersegeln nur die Fock. Unsere Schnelligkeit war so ungeheuer, daß wir fast im Augenblick das fremde Schiff erreichten und überholten.
    Pike war wie ein Schuljunge. Er sprang auf die Reling und verhöhnte die Leute drüben auf der Kampanje, indem er ihnen ein Ende hinstreckte und sie einlud, sich von uns schleppen zu lassen.
    Um fünf Uhr nachmittags logten wir 314 Meilen seit vorgestern um fünf – also vierundzwanzig Stunden lang zwei Meilen über eine Durchschnittsfahrt von dreizehn Knoten in der Stunde.

    Wir haben Kap Hoorn umsegelt! Wir befinden uns tatsächlich nördlich vom fünfzigsten Grad im Stillen Ozean, auf 8o“ 49’ Länge. Kap Pillar und die Magellanstraße liegen schon südöstlich von uns, und wir laufen jetzt nach Nordnordwest. Kap Hoorn umsegelt! Die volle Bedeutung dieser Worte kann natürlich nur erfassen, wer selbst den Versuch gemacht hat, sich bei Gegenwind von Osten nach Westen um das Hoorn zu schleichen. Jetzt kann uns nichts mehr in die Quere kommen. Noch nie ist es geschehen, daß ein Schiff, das den fünfzigsten Grad erreicht hatte, wieder zurückgeworfen wurde. Von jetzt an gibt es glatte Fahrt, und selbst das ferne Seattle scheint uns plötzlich in greifbare Nähe gerückt.
    Die ganze Besatzung des Schiffes ist jetzt auch in besserer Stimmung. Die glücklich vollbrachte Umsegelung Kap Hoorns, das gute Wetter, das jetzt immer besser wird, die Verringerung der ewigen Schufterei und der dauernden Lebensgefahr und endlich die Aussicht auf die Wärme der Tropen und die balsamische Luft des Südostpassats… alles das trägt dazu bei, daß die Leute sich allmählich erholen. Es ist schon so warm, daß sie angefangen haben, ihre überflüssigen Kleidungsstücke abzulegen. Gestern abend hörte ich während der Plattfußwache einen der Matrosen singen.
    Der Steward hat auch sein riesiges Fleischermesser abgeschnallt und macht es sich so weit gemütlich, daß er sich hin und wieder in seiner besonnenen Art darauf einläßt, mit Possum zu spielen. Wada geht auch nicht mehr beständig mit einem feierlichen Gesicht herum, und der Oxforder Tonfall des chinesischen Kochs ist noch honigsüßer als sonst. Mulligan Jacobs und Andy Fay sind natürlich die giftigen Kröten geblieben, die sie waren. Und die drei Banditen haben – gemeinsam mit dem Kreis, den sie um sich gesammelt haben – ihre frühere Tyrannei im Mannschaftslogis wieder aufgenommen und die Gelegenheit benutzt, um die Feiglinge und

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