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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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tüchtig durchwehen zu lassen. Vielleicht kann ich dann einschlafen.«
    »Ich beneide Sie wirklich«, antwortete er. »Du lieber Gott! Eine so herrlich lange Nacht zu haben und dann nicht einmal durchschlafen zu können!«
    Lachend wünschten wir uns gute Nacht. Als ich wieder in den Kartenraum hineinguckte, sah ich Kapitän West wie vorher, fast in derselben Lage, schlafen. Bei Margaret brannte immer noch Licht, als ich aber hineinguckte, sah ich, daß sie eingeschlafen war. Was mochte vorgehen? Die Hälfte aller an Bord Befindlichen schlief. Der Kapitän schlief. Aber der alte Steuermann hielt eine schwere Extrawache auf der Decke des Vorderkastells. Hatte er recht mit seinen Befürchtungen? Oder war es nur die Schrulle eines alten Mannes? Führte die Abtrift uns tatsächlich in den Untergang?
    Ich war zu wach, um schlafen zu können, und setzte mich deshalb mit meinem Buch an den Eßtisch. Ich behielt auch mein Ölzeug an, mit Ausnahme der Fäustlinge, die ich auswrang, ehe ich sie zum Trocknen an den Ofen hängte. Es schlug vier Glasen, es schlug sechs Glasen, Pike war immer noch nicht zurückgekehrt. Als es acht Glasen schlug und seine Wache beginnen sollte, fiel es mir ein, wie anstrengend diese Nacht für den alten Seemann sein mußte! Von acht bis zwölf hatte er Wache gehabt und dann vier Stunden seiner Freiwache dort oben verbracht. Und jetzt begann wieder seine eigene Wache, die bis acht Uhr morgens dauerte. Also zwölf Stunden ununterbrochen an Deck, im Sturm bei Kap Hoorn und bei einer Temperatur, die weit unter dem Nullpunkt lag!
    Dann mußte ich etwas eingenickt sein, denn plötzlich hörte ich über meinem Kopf lautes Rufen, das über das ganze Schiff bis zur Kampanje wiederholt wurde. Erst später erfuhr ich, daß Pike das Steuer hatte umwerfen lassen und daß der Befehl von der Back nach dem Steuerhaus durch eine Reihe von Matrosen gegangen war, die er in regelmäßigen Abständen auf der Laufbrücke postiert hatte.
    Mit einem Ruck wurde ich wach und wußte, daß an Deck etwas vorgefallen sein mußte. Als ich meine dampfenden Fäustlinge angezogen hatte und die schlingernde Treppe so schnell wie möglich hinaufkletterte, hörte ich das Trappeln der Matrosen. Als ich im Gang zum Kartenhaus stand, hörte ich Pike brüllen: »Die Kreuzbrassen, zum Teufel! Fieren… Donnerwetter noch mal!… Fieren… dalli, dalli! Achteraus alle Mann – aber schnell, wenn ihr nicht alle schwimmen wollt… Hierher! Backbordbrassen! Aufgepaßt, daß sie nicht wappern!… Leebrassen… wenn ihr den Schlag da gehen laßt, knalle ich euch eure verfluchten Schädel ein… Dalli… dalli, zum Teufel noch mal… Ist der Helm luvwärts? Warum zum Teufel antwortest du nicht?«
    Alles das hörte ich, während ich nach der Tür des Kartenhauses eilte. Ich wunderte mich, daß ich die Stimme des Kapitäns nicht hörte. Als ich dann am Kartenraum vorbeiging, sah ich ihn. Er saß auf der Bank und hielt einen Seestiefel in der Hand. Sein Gesicht war ganz weiß, und mir schien, daß seine Hände zitterten. So viel sah ich – dann ging ich schnell an Deck.
    Als ich aus dem erleuchteten Kartenraum herauskam, konnte ich zunächst gar nichts sehen, hörte aber die Matrosen, die an der Finkennetzreling arbeiteten, und den Steuermann, der Befehle fauchte und brüllte. Das Manöver kannte ich. Mit einer kränklichen, körperlich schwachen Mannschaft mußte die Elsinore in einer hohlen See vor dem Winde wenden. Ganz langsam fühlte ich, wie sich der Winddruck gegen meine Wange änderte. Der Mond, der anfangs nur sehr schwach geschimmert hatte, wurde immer klarer, und schließlich verschwanden die letzten Fetzen der fliehenden Wolkendecke, die ihn verhüllten. Vergebens spähte ich nach einer Küste aus. »Großbrassen… alle Mann… Schnell!« brüllte Pike. Alle überstürzten sich in wilder Hast. Noch nie hatte ich sie so arbeiten sehen.
    Ich begab mich nach dem Steuerrad, wo Tom Spink als Rudergast stand. Er bemerkte mich gar nicht. Seine Augen starrten wie verzaubert in eine ganz bestimmte Richtung… ich folgte seinem Blick über ein im Mondschein unklar und vage erscheinendes Gebirge von Seen hinweg. Und da sah ich es: Das Heck der Elsinore wurde hoch in die Luft geschleudert, und hinter dem kalten Meer erblickte ich das Land… schwarze Felsen und schneebedeckte Hänge und Gipfel… und gegen dieses Land wurde die Elsinore, jetzt fast vor dem Winde, getrieben.
    Vom Mittschiffshause her tönten das Brüllen des Steuermanns und die Rufe

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