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Meuterei auf der Elsinore

Meuterei auf der Elsinore

Titel: Meuterei auf der Elsinore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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berührte nicht einmal die Reling.
    Ob Mike Cipriani, der sich bisher auf dem Deck gewälzt hatte, sich in Sicherheit bringen wollte, oder ob er die Absicht hatte, Margaret, die am Ruder stand, zu belästigen, werden wir nie erfahren – er bekam keine Gelegenheit mehr, seine Absicht auszuführen. Pike schnellte über das Deck und schleuderte ihn durch einen Fußtritt in die Luft, daß er Bill Quigley über Bord folgte.
    Nichts entging den Adleraugen des Steuermanns auf seinem Rückweg über die Kampanje. Es war übrigens keiner mehr auf dem Großdeck zu sehen. Selbst der Ausguck war schleunigst nach dem Mannschaftslogis geflüchtet. Die Elsinore schleppte sich, von Margaret gesteuert, träge durch die See. Pike fürchtete indessen, daß man aus einem Versteck auf ihn schießen würde, deshalb beobachtete er zuerst prüfend das Großdeck, ehe er den Revolver in die Tasche steckte und brüllte: »Heraus mit euch, ihr verdammten Ratten! Ich hab’ ein Wörtchen mit euch zu reden!«
    Zuerst tauchte Guido Bombini auf, eifrig gestikulierend, um seine friedlichen Absichten zu zeigen – er war offenbar von Bert Rhine vorgeschickt worden. Als Pike ihn nicht niederknallte, kamen allmählich die andern zum Vorschein. Schließlich waren alle da, mit Ausnahme des Kochs, der beiden Segelmacher und des Untersteuermanns. Die letzten, die erschienen, waren Tom Spink, der Schiffsjunge Buckwheat und Hermann Lunkenheimer, der gutmütige Schweizer. Die drei erschienen erst, als Bert Rhine ihnen mehrmals gedroht hatte. Es war klar, daß er und die beiden andern Banditen, Nasen-Murphy und Bub Twist, das Kommando übernommen hatten.
    »Halt! Stehenbleiben!« befahl Pike, als die Mannschaft sich in einer dünnen Kette zu beiden Seiten des Kabelgatsluks aufgestellt hatte.
    Es war wirklich ein spannender Auftritt. Meuterei auf hoher See! Wie oft hatte ich in meinen Knabenjahren diesen Satz gelesen! Jetzt erlebte ich es also: Meuterei auf hoher See, nahm sogar teil daran und hatte schon meinen ersten Menschen getötet. Pike lehnte sich – alt, aber unbezähmbar – an den Brüstungsbogen der Kampanje. Von hier aus blickte er auf die Meuterer hinab. Da waren zunächst die drei früheren Zuchthäusler, sie waren alles eher als Seeleute, und doch hatten sie das Kommando an sich gerissen. Neben ihnen standen Bombini und ein wenig abseits Männer, die anscheinend so wenig miteinander gemeinsam hatten wie Sörensen, Jacobsen, Fitzgibbon und Giller. Dann Deacon, der weiße Sklavenhändler, Hackey, der Zuhälter aus Frisco, ferner der Malteser-Londoner und Tony, der Selbstmörder. Ich sah auch die drei Fremden. Sie standen etwas abseits von den andern, schwankten im Takt mit dem trägen Schlingern des Schiffes; ihre fahlen topasfarbenen Augen schienen voll von seltsamen Träumen. Und da war auch der Faun, stocktaub, aber eifrig beobachtend, um den Sinn des Ganzen zu erraten. Ja, und dann natürlich Mulligan Jacobs und Andy Fay, die erbittert und böse nebeneinanderstanden, und hinter den beiden Olansen, der Berserker mit den verrückten Augen. Und ganz vorn stand Davis, der Mann, der nach menschlichem Ermessen längst hätte tot sein müssen. Sein Gesicht mit der wachsgelben Haut bildete einen seltsamen Kontrast zu den wettergebräunten Gesichtern der andern.
    Ich warf einen Blick auf Margaret, die ruhig am Ruder stand und steuerte. Sie lächelte mir zu. Liebe war in ihren Augen zu lesen, wie sie da oben stand. Ihr Platz war der hohe Platz, denn auch sie gehörte zu den Menschen, die in jedem Augenblick ihre Pflicht zu tun pflegen.
    »Wo ist Sidney Waltham?« knurrte der Steuermann. »Ich will ihn haben. Bringt ihn her! Wenn ihr das tut, könnt ihr andern wieder an die Arbeit gehen… sonst gnade euch Gott!«
    Die Matrosen an Deck traten unruhig von einem Fuß auf den andern.
    »Sidney Waltham! Ich will mit dir sprechen. Komm heraus!« rief Pike und wandte sich, ohne sich um die anderen zu kümmern, an den Mörder Kapitän Sommers’. Heldenmütiger alter Mann! Nicht einen Augenblick fiel ihm ein, daß er das Gesindel dort unten nicht beherrschte. Er hatte nur einen einzigen Gedanken: den Wunsch, seinen alten Kapitän zu rächen.
    »Alter Schuft«, knurrte Mulligan Jacobs zur Antwort.
    »Halt die Fresse, Mulligan«, befahl Bert Rhine. Zum Dank bekam er einen giftigen Blick von dem Krüppel.
    »Mit dir werde ich schon noch fertig werden, brauchst keine Angst zu haben«, fuhr Pike fort. »Aber zunächst holst du mir mal den Hund heraus, und das ein

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