Meuterei auf der Elsinore
unzuverlässigste unter den Männern, die hier die »Masse« ausmachten, und er ergriff denn auch zuerst die Flucht – aber alle schlossen sich ihm an. Sein Mangel an Gleichgewicht wurde entscheidend für das Gleichgewicht aller andern.
Chantz, der furchtbar blutete, war einer der ersten. Ich sah noch, daß Nasen-Murphy stehenblieb, um sein Messer nach dem Steuermann zu schleudern. Es fehlte ihn jedoch, traf mit einem metallischen Klang das Steuerrad und schlug dann klatschend aufs Deck. Der Untersteuermann, den verschossenen Revolver in der Hand, und Bert Rhine mit seinem langen Scheidemesser flüchteten an mir vorbei.
Jetzt sprang Pike aus dem Achterluk heraus und schoß Bill Quigley nieder. Er fiel vor meine Füße. Der letzte Mann auf der Kampanje war der Malteser-Londoner. Auf der obersten Stufe der Treppe blieb er stehen, um sich noch einmal nach Pike umzusehen, der sorgfältig auf ihn zielte. Der Malteser-Londoner ließ sich keine Zeit mehr, die Treppe zu benutzen, sondern sprang direkt aufs Deck herab. Der Colt aber klickte nur. Die Kugel, die Bill Quigley getroffen hatte, war die letzte gewesen.
Die Kampanje war jetzt in unserer Gewalt.
Noch immer folgte ein Ereignis dem andern so schnell, daß mir vieles entgehen mußte. Ich sah den Steward vorsichtig aus dem Kartenhaus auftauchen, das große Messer noch immer stoßbereit. Ihm folgte Margaret, und hinter ihr Wada mit meinem Winchesterstutzen. Wie er mir nachher erzählte, hatte er ihn auf Befehl Margarets geholt.
Der Steuermann sah gerade nach, ob sein Revolver noch geladen wäre, als Margaret ihn nach dem Kurs fragte.
»Beim Winde«, rief er ihr zu. »Dicht beim Winde, sonst fangen wir noch eine Eule.«
Selbst in diesem Augenblick vergaß er nicht, daß das Schiff seiner Führung anvertraut war. Während die Meuterei ihre blutrote Flagge hißte, vergaß er nicht das Schiff, die stolze Elsinore, dies seltsame Ding aus Stahl, Hanf und Baumwolle, das in seinen Augen ruhmreiches und wundervolles Leben bedeutete.
Margaret gab Wada ein Zeichen, daß er zu mir gehen sollte, während sie an das Steuerrad lief. Als Pike um die Ecke des Kartenhauses bog, knallte ein Schuß vom Mittschiffshaus, eine Kugel schlug klirrend gegen die stählerne Wand. Ich erkannte den Mann, der geschossen hatte. Es war Steve Roberts.
Der Steuermann suchte blitzschnell Deckung hinter dem schützenden Kreuzmast und steckte im selben Augenblick die Hand in die Tasche, um das Magazin seiner Pistole neu zu laden.
Wada reichte mir den Stutzen. »Alles in Ordnung«, sagte er. »Nur noch entsichern.«
»Knallen Sie Roberts nieder«, rief Pike mir zu. »Er ist der beste Schütze vor dem Mast.«
Zum erstenmal in meinem Leben sollte mir ein Mensch als Zielscheibe dienen. Der Mann stand vor mir, kaum hundert Fuß entfernt, und wollte gerade einen zweiten Schuß auf Pike geben. Das erstemal verfehlte ich Steve Roberts, aber meine Kugel kam ihm immerhin so nahe, daß er unwillkürlich einen Sprung machte. Im nächsten Augenblick hatte er mich entdeckt und richtete seinen Revolver auf mich. Aber er hatte nicht die geringste Chance. Sein Schuß ging vollkommen fehl, weil meine Kugel ihn traf, ehe er richtig gezielt hatte. Er taumelte zurück, aber nicht weniger als zehn Kugeln sausten aus der Mündung meines Gewehrs, ehe er zusammenbrach. Selbst im Fallen als ein willenloser, rein mechanisch funktionierender Klumpen, gelang es ihm doch noch zweimal, seinen Revolver abzufeuern. Als er den Boden berührte, war er, glaube ich, schon tot.
Ich setzte mein Gewehr ab und blickte über das Großdeck, das auf einmal ganz menschenleer geworden war. Da merkte ich, daß Wada meinen Arm berührte. Ich erblickte in seiner Hand zwölf kleine, rundspitzige, rauchschwache Patronen. Ich sicherte den Stutzen, öffnete das Magazin und hielt die Waffe so, daß er die neuen Patronen nur hineinfallen zu lassen brauchte.
»Holen Sie noch mehr«, sagte ich.
Kaum war er gegangen, als Bill Quigley, der zu meinen Füßen lag, für Abwechslung sorgte. Vor Schrecken und Überraschung machte ich einen Sprung und, ja, ich gestehe, daß ich einen Schrei ausstieß, als ich merkte, wie seine Fäuste plötzlich um meine Fußknöchel griffen und seine Zähne sich in mein linkes Bein gruben. Da kam mir Pike zu Hilfe. Mit einem Sprung war er neben mir, ein Fußtritt – und Bill Quigley wurde von mir weggerissen und sauste im nächsten Augenblick in einem großen Bogen über Bord. Es war ein prachtvoller Wurf – der Körper
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