Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
Niederkalifornien oder Baja California, im Ort Cabo San Lucas, steht eine große Villa. Sie gehört Roberts Freund Heinz, den er in München besucht hatte. Gemeinsam hatten sie diese 1990 erbaut. Hier hatten die Familien von Robert und Heinz zwei Jahre wie in einer großen Wohngemeinschaft gelebt, aber auf Dauer funktionierte das Zusammenleben nicht. Während Robert mit seiner Familie nach Kanada zurückging, arbeitete Heinz wieder als Zahnarzt in Deutschland. Um das verlassene Objekt kümmerte sich danach eigentlich jahrelang niemand so recht. Aber um diese Villa drehten sich nun unsere Gedanken und Gespräche, denn wir waren der Idee verfallen, dieses Anwesen zu unserer neuen Heimat werden zu lassen. Es war die letzten Jahre sehr vernachlässigt worden und unsere Aufgabe würde es sein, eine kleine Pension aufzubauen und zu betreiben.
Mir waren ja sogar die Alpen fremd gewesen und nun sollte Mexiko meine neue Heimat werden? Als Schulkind war ich vielleicht schon dort gewesen, aber nur mit dem Finger auf der Landkarte. Woanders existierte dieses Land für mich eigentlich nicht, und dass Mexiko eine Halbinsel besitzt, die man Niederkalifornien nennt, hatte ich noch nie zuvor gehört. Trotzdem hatten wir es aufgrund von Roberts Erfahrungen als unsere neue Heimat auserwählt. Aber bis unsere Gedanken zur Realität wurden, sollte noch sehr viel geschehen.
Wir lebten beide immer noch in meiner kleinen traumhaften Wohnung, die ich mir mit Freude und Hingabe so richtig kuschelig eingerichtet hatte. Es war die zweite Wohnung nach meiner Trennung und dort lebte ich erst ein paar Monate, ganz am Rande der Stadt. Hier hatte ich einen Wohnraum mit Schlafecke und Küche sowie ein wunderschönes, kleines Bad und eine sonnendurchflutete Diele. Wenn ich aus dem Flur trat, befand ich mich gleich in einem verwunschenen Garten. Eigentlich war es nur ein Gartenbungalow, aber ein wunderschöner. Damals hatte ich sofort gespürt: Hier kann ich richtig glücklich werden.
Die Wände strich ich in Gelb und Orange, die Gardinen waren passend in einem hellgelben Ton gehalten. Herrlich arrangierten sich dazu die freundlichen Kiefernmöbel. Eine einfache, aber praktische Einbauküche und die weinrote Kuschelecke rundeten das Bild ab. In einer weiteren Ecke befand sich meine Staffelei für die Malerei und das perfekt dazu passende niedrige Futonbett. Die Seidenbettwäsche mit ihren darauf abgebildeten Rosen vollendete die Harmonie der Farben. So sah die kleine, aber für mich perfekte Wohnung aus. Hier bekam ich mein Leben wieder in den Griff.
Dies lag aber hauptsächlich auch daran, weil es Robert immer wieder gelang, mich ins Schweben zu versetzen. Ich verspürte eine Glückseligkeit, die unbeschreiblich war. Unbedingt wollte ich weiter von einem Leben mit ihm träumen. Nicht mehr in dieser Wohnung, sondern in Mexiko. Wir wussten, von dieser Wohnung werden wir uns trennen müssen. Ich denke gern an sie, denn hier hatten wir beide die bisher schönste Zeit unseres Lebens verbringen dürfen. Wieder sollte ich lernen etwas loszulassen und mich zu verabschieden von dem, was ich liebgewonnen hatte. Das fiel mir diesmal nicht schwer, denn es war ein ganz anderer Abschied.
Die Trennung von meinem Haus und meinen Kindern war sehr schmerzvoll gewesen. Es hatte mich wohl auch deshalb so hart getroffen, weil ich keine Zukunft mehr für mich gesehen hatte. Als ich die erste Singlewohnung verließ, spürte ich eher Erleichterung, denn ich ließ nur unzählige geweinte und nicht geweinte Tränen zurück. Dieses letzte Abschiednehmen, das nun kommen sollte, geschah in freudiger Erwartung. Tauschte ich doch meine Wohnung gegen eine andere Welt in einem fremden Land ein.
Trotzdem erschien mir alles oft so unwirklich: Ich, die unscheinbare Kleinstadtfrau, gehe mit einem Mann, den ich erst seit wenigen Monaten kenne, fort in ein fremdes Land, in eine ungewisse Zukunft. Aber in mir war dieses tiefe Gefühl: Ich kenne Robert schon ein Leben lang und kann ihm voll und ganz vertrauen. Und er vermochte es mir so viel Stärke zu geben, dass ich mit Sicherheit und Zuversicht in das Leben blicken konnte, das vor mir lag. Doch vor unserer Ausreise musste ich meine Tätigkeit als Kindergärtnerin beenden. Das stellte sich als gar nicht so leicht heraus, weil es damals an ausgebildeten Erzieherinnen mangelte und man mich nicht so schnell gehen lassen wollte. Aber irgendwann
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