Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
keinen Sinn. Und warum hatte es erst mit Picassos Tod begonnen?
Mit der Zeit wurde unser Schlaf immer unruhiger und Robert machte oft in der Nacht seine Runde, aber er erwischte nie jemanden. Eigentlich dürften solche Vorfälle hier in unserer gesicherten Wohnanlage niemals passieren, denn das ganze Viertel ist mit einem hohen Stacheldrahtzaun umgeben. Halt, nicht das ganze Viertel. Für zwei Meter Zaun hatte das Geld nicht mehr gereicht und diese Lücke war direkt vor unserem Haus. Wir hatten diese undichte Stelle schon oft beim Vorstand unserer Wohnanlage angesprochen, aber wir wurden immer wieder vertröstet. Da dieser Zaun keine große Abschreckung für finstere Gestalten und Einbrecher ist, gibt es auch noch viele Security-Leute, die nachts im Einsatz sind und unseren Schlaf bewachen. Das nützte aber in unserem seltsamen Fall auch nichts, denn der Spuk ging immer weiter. Dieser Sicherheitsdienst fährt in regelmäßigen Abständen mit seinen Quads durch unsere Wohnanlage, um eventuelle Einbrecher zu erwischen. Nur leider ist der Lärm dieser Fahrzeuge so laut, dass auch ein schwerhöriger Eindringling lange genug vorher gewarnt würde, und einfach warten könnte, bis der Lärm verstummt ist, um seine Arbeit in Ruhe fortzusetzen. Das Ganze ist also mehr oder weniger ein Witz und dient nur dazu, unseren ruhigen Schlaf in der Nacht des Öfteren durch den Lärm dieser Quads zu unterbrechen. Wir hatten ja auch noch unsere Layla, aber wir wollten nicht riskieren, sie in den Nächten da unten allein zu lassen. Eines Morgens, es setzte gerade die erste Dämmerung ein, erwachte ich von ungewöhnlichen Geräuschen und weckte Robert. Es hörte sich an, als würde jemand im Sand schaufeln und graben. Mein Mann bewaffnete sich mit einer schweren Taschenlampe und lief im Eiltempo runter in den Garten. Was ihn dort erwartete, war noch grusliger, als das Attentat auf unseren Hasen. Carlos, der manchmal als Gärtner bei uns arbeitete, hatte Picassos Grab zerstört. Nicht nur das, er war gerade dabei, ihn wieder auszugraben. Es fehlte nicht viel und Robert hätte ihm mit der schweren Taschenlampe die Schaufel aus der Hand geschlagen.
Robert war sprachlos vor Wut und grenzenlosem Entsetzen. Doch Carlos blieb ganz ruhig und antwortete monoton und teilnahmslos, er wollte doch nur mal sehen, wie Picasso jetzt, nach so langer Zeit aussieht. Das konnten nur die Tat und das Denken eines Wahnsinnigen sein und von diesem Tag an wussten wir, wer in den dunklen Nächten sein Unwesen bei uns getrieben hatte. Unser Grundstück durfte er nie wieder betreten und trotzdem konnten wir nicht mehr ruhig schlafen.
Aber es verging nur eine kurze Zeit, dann wurde Carlos verhaftet und sitzt bis heute im Gefängnis. Nicht wegen des nächtlichen Treibens in unserem Garten. Viel schlimmer. Er hatte seine Frau an der Steilküste die Klippen runter gestoßen und seine Geliebte lag tot in seinem Wohnwagen. Ein grausiger Doppelmord. Carlos war wirklich ein Wahnsinniger. Seit Jahren lebte er von Chrystal Speed, einer chemischen Droge, die seinen Verstand langsam aufgelöst hatte.
Nachdem Carlos verschwunden war, wurde es ruhiger, aber ein wirklich ruhiges Leben lag noch in weiter Ferne und das lag an unserem Untermieter Mike. Er war eine Last und diese war täglich schwerer zu ertragen. Das ging nicht nur uns so, denn bald hatte er seine Arbeit im Hotel als Verkäufer von Ferienwohnungen verloren. Durch seinen ständigen Alkoholkonsum war er einfach nicht mehr tragbar. Seine Miete konnte er schon lange nicht mehr bezahlen und
bald hatte er auch keinen Peso und keinen Dollar mehr in der Tasche, um sich selbst zu versorgen. Wir wollten ihn in dieser Situation nicht allein lassen und schlossen einen Kompromiss. Er sollte uns helfen, mehr Werbung für unser Haus zu machen, und dafür würde er von uns beköstigt. Eingeschlossen waren darin Telefonate mit Reisebüros in Amerika und Kanada, Arbeit im Internet, Werbemails verfassen und so weiter, alles Dinge, die unser Geschäft voranbringen sollten. Da er trotz seiner Alkoholabhängigkeit noch ein guter Verkäufer war und sein Englisch natürlich besser war als unseres, war die ganze Idee einen Versuch wert. Am Anfang lief es auch zufriedenstellend, doch bald nahm Mikes Größenwahnsinn immer schlimmere Formen an. Wenn wir Gäste im Haus hatten, spielte er sich als Management- und Marketingdirektor auf und belästigte unsere Gäste auf eine
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