Mexiko, mein anderes Leben (German Edition)
seinen Tod kamen auch so viele Vorwürfe in uns hoch, dass wir seinen Tod nicht verhindern konnten. Warum hatten wir nicht aufgepasst, als Victor die Tür aufließ? Warum hatten wir ihn nicht auf der anderen Seite des Highways gesucht? Alles wäre dann anders gekommen und Picasso wäre noch am Leben. Einmal hatte er es geschafft, die viel befahrene Autobahn zu überqueren, erst auf dem Rückweg hatte ihn ein Auto frontal erwischt und er musste sofort tot gewesen sein. Er war sicherlich direkt mit dem Kopf in das Auto gelaufen, denn der hatte sich verformt, die Augen waren offen und es war kein Blut zu sehen. Wenn es einen Trost gab, dann den, dass er nicht lange leiden musste. Aber all das hätte nicht passieren müssen. Doch auch die schlimmsten Vorwürfe konnten uns Picasso nicht mehr zurückbringen. Er war für immer von uns gegangen und wir mussten nun ohne ihn weiterleben.
Einige Tage, nachdem wir Picasso beerdigt hatten, fuhren wir an den Strand. Dorthin, wo er so gerne gespielt und die Gegend erkundet hatte. Wir sammelten Hunderte kleiner Muscheln und weißer Steinchen, um sein Grab zu schmücken. Ein mit Palmblättern umwickeltes Holzkreuz ziert seine letzte Ruhestätte. Mit den kleinen weißen Muscheln klebte ich seinen Namen auf das Kreuz und stellte einen künstlichen Blumenstrauß daneben.
Kapitel 33
Wir versuchten unsere Trauer zu verarbeiten, aber wir konnten es kaum ertragen, ohne Picasso weiter zu leben. Die Erinnerung an ihn sollte weiterleben und so verbrachte ich meine Zeit damit, eine Seite unserer Homepage ihm allein zu widmen. Mit Bildern, Musik und Worten schuf ich ihm einen letzten virtuellen Platz, denn so, wie wir ihn nicht vergessen würden, sollte er auch für andere unvergessen bleiben. Wochen vergingen, doch der Schmerz ließ nicht nach. Es war mein erster Hund gewesen und es sollte auch mein letzter Hund sein. Ich wollte so viel Trauer nie wieder erleben müssen, denn auch wenn ein neuer Hund neue Freude bringt, so wird es doch immer auch wieder einen Abschied geben und ich wollte das nicht noch einmal ertragen müssen. So fühlte ich, aber Robert war ganz anderer Meinung.
Tage und Nächte konnte er nicht zur Ruhe kommen und die Suche nach einem neuen Schäferhund hielt ihn fest gefangen. Meine Erinnerung an Picasso konnte nicht durch einen anderen Hund ersetzt werden, da war ich mir ganz sicher. Mein ganzes Ich sträubte sich dagegen, wenn wir auf der Suche in allen möglichen Tierhandlungen waren und jedes Mal atmete ich erleichtert auf, dass wir keinen Schäferhund gefunden hatte.
Aber Robert versank immer mehr in seinen Kummer und ich hatte Angst um ihn, denn er war nicht mehr der Mann, den ich kannte. Er sprach kaum noch und lebte in seiner eigenen Welt, in die ich nicht mehr reinkam. Es war eine furchtbar schwere Zeit für uns, zumal Robert auch spürte, dass ich mich gegen einen neuen Hund mit Händen und Füßen wehrte. Aber selbst wenn ich es gewollt hätte, hier gab es keinen neuen Schäferhund für uns. Ganze Nächte verbrachte Robert vor dem Computer, um im Internet einen Schäferhund zu finden. Und eines Morgens weckte er mich freudestrahlend mit der Nachricht, er habe ihn gefunden. In diesem Moment gab ich meinen Widerstand auf, denn Robert war mit dieser Hoffnung wieder in sein altes Leben zurückgekommen und das sollte unbedingt so bleiben. Telefongespräche und E-Mails nach San Diego, USA bestimmten nun unseren Tagesablauf und Layla, so hieß die Schäferhündin, war in Gedanken schon bei uns. Gleich am nächsten Morgen wollte Robert mit mir starten. 1600 Kilometer mit dem Auto die Abenteuerstraße hoch nach San Diego, um Layla abzuholen. Ich hatte mich ein wenig mit dem Gedanken an einen neuen Hund abgefunden, aber niemals wäre ich gleich am nächsten Tag losgefahren. Durch die schlimme Zeit der letzten Wochen war Robert sehr mitgenommen, nervlich und körperlich am Ende und ich traute es ihm nicht zu, diese lange Fahrt gut zu meistern.
Aber wenn mein Mann etwas will, dann will er es und er findet immer Mittel und Wege. Zwei Tage später flogen wir daher in die USA, um unsere Layla abzuholen. Sie war neun Monate alt und war bei einem Offizier der US-Armee aufgewachsen. Dort war sie auch trainiert und für den Einsatz im Irak vorbereitet worden. Ich verliebte mich sofort in ihre anhängliche, verschmuste Art, aber trotzdem war mir etwas unheimlich zumute und alles war wieder neu.
Eine
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