Mia - Gefangene des Schicksals (Buch 2) (German Edition)
hätte er den Grund dafür nicht lange geheim
halten können. Um sein Gesicht zu wahren - seine Position als geachtetes
Clanoberhaupt -, hätte er mich töten müssen, und das wollte er nun wirklich
nicht.
Natürlich war meine
Drohung nur aus der Luft gegriffen. Nie hätte ich es fertig gebracht, jemanden
aus einem Grund des Missfallens zu töten. Außerdem mochte ich die meisten
Wachleute. Sie konnten schließlich nichts dafür, dass Elia ein absolutes
Arschloch war.
Max, Logan, Bruce
und Chris, würde ich sogar vage als Freunde bezeichnen, obwohl mir durchaus
bewusst war, dass auch sie Elias Befehle ausführten und mehr oder weniger dazu
gezwungen waren, ihm die ein oder andere Information zukommen zu lassen.
Doch es gab auch
diejenigen unter den Wachen, die Elia, in punkto Arschloch, in nichts
nachstanden.
Einer davor war Ian,
der wie immer vor meinen Räumen stand und mich keines Blickes würdigte,
"Na, alles klar
bei dir, Ian?", sagte ich mit gespielt freundlicher Miene. "Siehst
heute wieder richtig entspannt aus!"
Er zuckte mit keiner
Wimper und starrte auf die gegenüberliegende Wand. Seine Haltung erinnerte mich
immer an die Wachmänner im Windsor Castle, die keine Mimik verziehen durften,
auch wenn man vor ihnen den Hampelmann machte.
"Danke, mir
geht es gut.", fuhr ich mit meinem Monolog fort, als hätte er mir
geantwortet. "Ich wünsch dir auch eine gute Nacht. Bis morgen dann."
Hätte er mich nicht
ein Mal "Schnalle" genannt, hätte ich geglaubt, dem habe man das Hirn
und die Zunge rausgerissen, aber so wusste ich, dass er seine Zunge noch hatte.
Die Tür fiel hinter
mir in Schloss und endlich konnte ich mich etwas entspannen. Dies waren die
einzigen Räumlichkeiten, in denen ich ein vages Gefühl von Privatsphäre hatte.
Elia kam nie hier her, zu mindestens nicht wenn ich hier war.
Ich ignorierte das
flaue Gefühl in meinem Magen, nahm einige Eisentabletten, die ich mir in der
Stadt besorgt hatte und ging etwas wackelig ins Bad.
Die heiße Dusche
fühlte sich gut an, doch egal wie viel ich auch an meiner Haut schruppte, egal
wie viel Duschgel ich verwendete, irgendwie ließ sich das Gefühl des
Beschütztseins und er Gestank der Scham, nicht von meinem Körper waschen.
Niemals!
Völlig ermattet zog
ich die Vorhänge zu, obwohl Jalousien die Sonne, die bereits über den Himmel
zog, aussperrte, und verkroch ich mich in meinem Bett.
Ich brauchte
dringend etwas Erholung.
Doch mein Schlaf war
nicht immer das Erholsamste an einem Tag. Denn ich träumte. Ständig. Und meine
Träume waren nicht gerade das, was man als "Traum" bezeichnen konnte.
Meine Träume waren
ein Gemisch aus schrecklichen Erinnerungen, die die Vergangenheit immer wieder
zum Leben erweckten, und grausamen Ereignissen aus der Gegenwart, die wiederum
nie zur Vergangenheit gehören würden. Meine Träume waren außerdem gespickt mit
unbekannten Bildfetzten, die sich wie Zukunftsvisionen anfühlten. Und immer
wieder war da dieses tropfende Geräusch, das ich früher schon vernommen hatte,
und das mich fast in den Wahnsinn treibt.
Doch auch wenn
dieses Vergangenheit-Gegenwart-Zukunftsgemisch mir beim Einschlafen Sorgen
bereitete, war es die Angst, Lucien könnte erneut an meine Traumtür klopfen, die mich nun davon abhielt, sofort einzuschlafen.
Anfangs, kurz
nachdem ich hier in New York ankam, stärkte mich die Gewissheit, dass sein
Leben ohne mich nicht in Gefahr war, dass er nie für mich kämpfen müsste und
auch nie für mich sterben müsste, und gab mir so die Kraft, ihn aus meinen
Träumen fernzuhalten. Ihm den Zutritt zu verwehren.
Doch mit jedem Tag,
mit jeder Stunde, schien es mir schwerer zu fallen, nicht an mein früheres
Leben zu denken.
Irgendetwas hatte
sich in letzter Zeit verändert. Meine Erinnerungen plagten mich immer öfter.
Wurden durch den kleinsten Zusammenhang in der Gegenwart hervorgerufen und
drohten den Schmerz, den ich so mühsam unterdrückt hielt, wieder an die
Oberfläche zu holen.
Ich war schwach
geworden.
Würde mich Lucien
nun aufsuchen, ich wüsste nicht, ob ich stark genug wäre, ihn auszuschließen.
Und das schlimmste daran: Ich wusste nicht, ob ich Angst davor hatte, dass er
kommen könnte, oder ob es die Hoffnung auf sein Kommen war, die mir Angst
machte.
Mühsam verdrängte
ich diesen fatalen Gedanken, atmete noch einmal tief durch, schickte ein Stoßgebet
gen Himmel und übersprang mit reiner Willenskraft die REM-Phase, wodurch ich
sofort in den Tiefschlaf fiel, um wenigstens ein
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