Mia - Gefangene des Schicksals (Buch 2) (German Edition)
hatte.
"Ich brauche
Zeit, Mia.", flüsterte Luciens Stimme in meinem Kopf.
Wieder fragte ich
mich, warum ich keinen Schmerz fühlte, wieder fragte ich mich, warum ich keine
Trauer verspürte. Wieder drang die Klinge in mein Fleisch. Wieder verspürte ich
das Brennen.
Und ich hieß es
willkommen, denn es versicherte mir, dass ich nicht verrückt war, dass ich
immer noch fähig war zu fühlen, wenn auch nur körperlich.
"Ich brauche
Zeit, Mia."
Zeit, dachte ich,
wie viel Zeit? Wie viel Zeit würde vergehen, bis die Leere in mir, die mich
schier zu erdrücken schien, mich wieder in den Wahnsinn treiben würde? Wie viel
Zeit würde vergehen, bis ich wieder an meinem Leben, an die Sinnhaftigkeit
meiner Existenz zweifeln würde?
Wie viel Zeit würde
Lucien brauchen, um mir einen Verrat - einen Verrat, den ich verdammt noch mal
nicht als solchen fühlte - zu verzeihen?
Wieder ging mein
Blick auf die Karte.
Lucien hatte mich
nicht weggeschickt. Die Krieger wollten mich sogar überreden zu bleiben. Gabe
wollte, dass ich zum Orden zurückkehre. Lena wollte mich in ihrer Nähe haben.
Doch ich konnte
nicht!
Ich konnte Luciens
Anblick nicht ertragen. Konnte die Blicke der Krieger nicht ertragen.
Ich wollte nicht in
die Augen derer blicken, die mir so viel bedeuteten, und in denen sich Schmerz,
Verrat, Mitgefühl, und Sorge abzeichnete. Gefühle und Emotionen die ich
verursacht hatte, ... die ich jedoch nicht fühlte!!!!
Ich hob meine
zitternde Hand, schloss die Augen und ließ meinen Zeigefinger über Amerika
kreisen.
Ich musste hier weg,
weit weg!
Noch einmal atmete
ich ein und ließ die Luft langsam aus meinen Lungen entweichen, bevor mein
Finger mit einem leisen Tappen auf dem Tisch auftraf.
Dort würde ich neu
anfangen. Wo mich niemand kannte und niemand wusste, welche Schandtaten ich in
meinem kurzen Leben bereits begannen hatte. Dort würde ich hingehen, um Zeit
verstreichen zu lassen. Zeit, von der ich nicht wusste, wie lange sie währte.
Zeit, von der ich nicht wusste, wie ich sie überstehen sollte.
Sollte nicht am Ende
jeder Geschichte, der Junge das Mädchen in den Armen halten und ihr Liebe und
Treue schwören, bis in alle Ewigkeit? Sollten nicht am Ende jeder Geschichte
alle glücklich und zufrieden sein?
"Nein, Mia.
Deine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Sie darf noch nicht zu Ende sein! Denn
du weißt was es heißt zu lieben!", sagte ich mit der ganzen Zuversicht,
die ich imstande war aufzubringen. "Du weißt, dass du liebst! Und die
Liebe ist es, die dich hoffen lässt! Die Liebe ist es, die dich leben
lässt!"
"Ich brauche
Zeit, Mia." ,
flüsterte Luciens Stimme wieder.
Ja, dachte ich, und
ich würde ihm diese Zeit geben. So viel Zeit wie mir möglich war und derweilen...
Mein Blick fiel auf
die Karte, auf den Punkt, wo mein Finger auf Amerika aufgetroffen war, auf den
Punkt, wo ein blutiger Abdruck zurückblieb, als ich meinen Finger anhob. Auf
den Punkt - sei es aus freien Willen oder weil es das Schicksal so wollte -,
der mir verraten würde, wo ich diese Zeit absitzen würde.
"Louisiana",
flüsterte ich. "Was zum Teufel sollte ich in Louisiana!?" Louisiana
klang so gewöhnlich, so ländlich, so ... fad.
Erneut betrachtete
ich Amerika. Dieses riesige Land. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Doch
die verdammte Karte war zu klein, oder mein beschissener Finger zu dick.
Mein Abdruck
bedeckte einen ganzen Bundesstaat!
Ich schäfte meine
Augen, versuchte zu lesen, was unter meinem Blut geschrieben stand und
entzifferte: New Orleans!
"New
Orleans!", flüsterte ich, als wollte ich probieren, wie sich das Wort auf
meiner Zunge anfühlte. "New Orleans!"
Mardi Gras, Jazz,
Hurrikan Katrina, French Quarter, Voodoo, ...
Ich seufzte. Was
machte ich mir Gedanken darüber wo ich hinging. Im Grunde war es egal. Völlig
egal. Denn jede Stadt wäre gut genug, um einen Neubeginn zu starten.
"Nein!",
stieß ich energisch hervor. Es ist kein Neubeginn! Kein Neuanfang!
Du wirst nur eine
gewisse Zeit in einer neuen Stadt verbringen. Warten! Und derweilen an der
Gewissheit festhalten, dass du weißt , was Liebe ist, dass du weißt ,
was Hoffnung ist!
Ich ballte die Hände
zu Fäusten, zwang mich förmlich dazu, an diesen Gedanken festzuhalten, ihn in
mir zu verinnerlichen, an ihn zu glauben.
Fest daran zu glauben!
Mit all meiner
Überzeugung, mit all der Kraft meiner Gedanken, dachte ich an den Mann, der mir
so viel gegeben hatte, der einst die Leere von mir nahm und mich von der
Dunkelheit
Weitere Kostenlose Bücher