Mia - Gefangene des Schicksals (Buch 2) (German Edition)
Magen um. Ich zog die Decke über meinen
Kopf und versuchte meine Umgebung auszublenden. Ich wollte nicht sehen, was
mich an Lucien erinnerte, den ich seit seinem Abschied, nicht mehr gesehen,
geschweige denn gefühlt hatte.
Ich wusste, dass er
weit weg war, denn ich fühlte nichts, was mit ihm in Zusammenhang gebracht
werden konnte. Er war weg und das einzige was blieb, war meine kaputte Seele,
die verzweifelt schrie, als würde man sie im Fegefeuer braten.
Ich hörte Lenas
leise Schritte, wie sie zur Tür ging, diese öffnete und hinter sich wieder
schloss.
Endlich wieder
allein. Allein sein war das Beste. Da musste ich mich auf nichts konzentrieren,
konnte einfach dahinvegetieren und mich dem Schmerz aussetzten, der mein
ständiger Begleiter war.
Immer wieder hatte
ich Luciens Worte im Kopf. Seine Anschuldigungen, mit denen er nicht ganz
falsch lag und doch fand ich keine Möglichkeit, meine Fehler wieder gut zu
machen.
Wenn ich gekonnt
hätte, hätte ich ihm seinen Schmerz genommen, ihn in mir aufgenommen, auch wenn
ich meinen eigenen fast nicht mehr ertragen konnte. Die Welt war dunkel
geworden, farblos und ohne Trost. Und ich sehnte mich nach einem Ende. Einem
Ende meiner Qual.
Ich stieg die
Steinstufen nach oben, hatte mir nicht einmal die Mühe gemacht, meine Schuhe
anzuziehen, die würde ich schließlich nicht brauchen, dort, wo ich hinwollte.
Ein eisiger Wind
wehte auf dem Turm, der den höchsten Punkt darstellte, den das riesige Anwesen
hatte.
Einst war es Lucien
gewesen, der mir seinen Turm gezeigt hatte.
"Hier komme
ich her, wenn mir drinnen alles zu eng wird!"
Auch mir schien
alles zu eng, mein eigener Körper ließ keinen Platz mehr zum Atmen und es war,
als würde seine Abwesenheit, mich eines langsamen Todes sterben lassen.
Nun wusste ich, was
mit einem passiert, wenn alles, was das Leben lebenswert macht, sich in Luft
auflöst. Wenn vor einem nur noch Dunkelheit lag und nicht einmal mehr Schatten
einen umgaben!
Meine nackten Füße
kletterten auf die Mauer, die den Turm umzingelte wie ein Geländer.
"Wenn ich
hier oben bin, dann wünschte ich, ich könnte fliegen! Wie ein Vogel!", waren seine Worte, die mir
damals, aus dem Mund dieses gefürchteten Kriegers, wie ein Eingeständnis von
Sehnsucht, vorkamen.
"Kannst du
denn nicht fliegen?", fragte ich daraufhin.
Ein kleines zucken
seiner Mundwinkel verriet mir, dass er ein Lächeln unterdrückte. "Nicht
wie ein Vogel, nein!"
Was tut man, wenn
man sich nach etwas sehnt, was in unerreichbare Ferne gerückt ist? Wenn das
Schicksal einem, auf allen erdenklichen Wegen, das Einzige versagt, was man
sich von Herzen wünscht?
"Ist denn
alles vorbestimmt?", hatte ich einst Iljas gefragt.
"Das
Schicksal hat uns den freien Willen gegeben, Mia. Es ist unsere Entscheidung,
welchen Weg wir einschlagen!"
Und der freie Wille
war es nun, der mich zu einer Entscheidung drängte, der mich hier rauf geführt
hatte, und mich in die Ferne blicken ließ.
Wenn man nur mehr
aus Schmerz besteht und das Gefühl hat, diesen nicht mehr ertragen zu können,
dann sehnt man sich nach dem Nichts! Nach dem Gefühl der Gefühllosigkeit, nach
Schmerzfreiheit, nach dem Gefühl der Leere, die einen verschlingt und dem
Leiden, das sich Existenz nennt, ein Ende setzt. Nun war mir klar, dass man
nicht glücklich ist, wenn man das hat was man sich wünscht, sondern wenn man
sich nicht nach dem sehnt, was einem das Schicksal verwehrt!
Ich blickte in die
Tiefe und fragte mich, ob diese Höhe wohl ausreichen würde, um das Nichts zu
erreichen, das mit dem Versprechen lockt, dem Schmerz ein Ende zu bereiten. Ich
fragte mich, ob nach dem freien Fall wohl die Leere schon auf mich wartete und
meine Qualen zu stillen vermochte.
"Tu das nicht!",
drang Nicolais Stimme an mein Ohr.
Ich war nicht einmal
überrascht ihn hier anzutreffen. Dieser Krieger wusste mehr als er preis gab.
"Die Gründe
dafür, überwiegen!", flüsterte ich in den Wind und starrte wieder in die
Tiefe. Sie schien nach mir zu rufen, mich zu locken und versprach süße
Erlösung, und doch zögerte irgendein Teil von mir.
"Nicht die
Anzahl der Gründe ist von Bedeutung, sondern ihr Gewicht!"
"Ich bin nicht
stark genug.", sagte ich und der Schmerz in mir hatte wieder Nahrung um zu
wachsen.
"Es ist nicht
der Mangel deiner Stärke, der dich treibt, sondern der Kummer, der dein Denken
trübt!"
"Er frisst mich
auf. Ich kann es nicht mehr ertragen!", gab ich zu.
"Was
versprichst du dir von deinem Handeln?",
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