Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt
ich unser Leben im Griff. Obwohl der Anfang schwierig gewesen war, hätte ich nicht mehr tauschen wollen. Das Leben ohne Mutter gefiel mir gut.
Auch unsere Ehe lief besser. Mustafa war zwar immer noch ein Pascha, aber das kannte ich ja. In den ersten Jahren, die wir allein lebten, haben wir uns ganz gut verstanden. Manchmal ging er sogar mit mir und Birgül im Kinderwagen spazieren, und auch zum Eisessen hat er mich öfter eingeladen. Er war viel entspannter. Früher hatte er mich ja fast jeden zweiten Tag verprügelt, aber jetzt kam das nur noch ganz selten vor. Alle zwei, drei Monate, vielleicht, ist er ausgerastet. Und zwar meistens dann, wenn ich nicht mit ihm schlafen wollte. Wütend hielt er mich am Handgelenk fest und boxte mich, auf die Arme, die Schultern und ins Kreuz. Aber er schlug mich nie ins Gesicht. Wenn er sich ausgetobt hatte, fiel er über mich her. Wie viele Nächte habe ich mich in den Schlaf geweint, weil er wieder einmal völlig lieblos Sex mit mir gemacht hatte? Warum konnte er nicht ein bisschen zärtlich sein? Mich mal streicheln oder liebkosen? Das machten andere Männer mit ihren Frauen doch auch? Das erzählten mir jedenfalls meine Freundinnen. Nur wie sich das anfühlte, das wusste ich nicht.
Mustafa versuchte ein guter Vater zu sein. Gut, er kümmerte sich nicht besonders viel um die Kinder. Aber wenigstens hat er sie nie geschlagen. Im Gegenteil, unsere Birgül hat er vergöttert. Sie war seine Prinzessin. An den Wochenenden lag er oft mit ihr im Wohnzimmer auf dem Fußboden und hat sie mit seinen Beinen hochgestemmt. Sie hat dann vor Freude immer gequietscht.
Stundenlang haben sie sich so beschäftigt. Birgül war in ihren Vater genauso vernarrt wie er in sie.
Im Sommer 1987 kam Muhammed aus Istanbul. Mutter stand eines Tages mit meinem inzwischen fünfjährigen Sohn vor unserer Tür. Ich bin fast zusammengebrochen, erkannte mein Kind kaum wieder. Es war völlig apathisch und hatte hohes Fieber. Was ich nicht wusste, war, dass man Mutter benachrichtigt und gebeten hatte, den Kleinen abzuholen, weil er so krank sei. In Istanbul hatten sie nicht weitergewusst und gehofft, dass man ihm in München würde helfen können. Mutter ist also wie damals hinter meinem Rücken in die Türkei geflogen und hat meinen kleinen Sohn zurückgeholt. Wir haben ihn dann gleich ins Krankenhaus gebracht, wo die Ärzte eine Meningitis feststellten. Wieder musste ich ihn alleine lassen. Vor Angst bin ich fast verrückt geworden. Nach Tagen zwischen Bangen und Hoffen kam schließlich die erlösende Nachricht, er würde durchkommen und wieder ganz gesund werden. Nach ein paar Wochen konnten wir ihn endlich nach Hause holen. Wäre ihm etwas passiert, ich hätte es ihr nie verzeihen können.
Endlich hatte ich meine beiden großen Kinder wieder bei mir, und ich schwor mir, sie nie mehr herzugeben. Can ging zur Schule, Muhammed kam in den Kindergarten, Birgül konnte bald schon laufen und fing an zu plappern. Sie war immer der Liebling aller Familienmitglieder. Ich war den ganzen Tag zu Hause und konnte mich so um meine Kinder kümmern. Wenn sie in der Schule waren oder schliefen, erledigte ich meine Heimarbeit. Oft habe ich auch abends und nachts gearbeitet und an die 2000 DM im Monat verdient. Mustafa brachte zwischen 1000 und 1500 DM nach Hause. Wenn die Miete bezahlt war und die Rate für den Kredit, kamen wir gerade so hin. Schwierig wurde es, als Mustafas Geschäfte nicht mehr so gut liefen. Dann musste ich einspringen. Gott sei Dank hatte ich meine Heimarbeit. Denn damals konnte man das wöchentliche Pensum meistens erhöhen. Also habe ich ein paar Kisten mehr in der Woche bearbeitet und ein paar Nachtschichteneingelegt. Aber trotz dieser Mehrarbeit habe ich nie mehr so viel geschuftet, wie zu Mutters Zeiten.
Die hatte inzwischen ganz mit der Heimarbeit aufgehört und eine feste Putzstelle angenommen. Meine beiden Schwägerinnen mussten nicht so hart arbeiten wie ich. Eine bekam relativ schnell ihr erstes Kind und fiel sowieso aus. Und die andere? Die hatte, soviel ich weiß, auch eine Putzstelle. Ich erinnere mich nur noch daran, dass mich das sehr geärgert hat. Mich hatte nie jemand gefragt, ob ich vielleicht mit dem Arbeiten aufhören wollte, um daheim bei meinem Kind zu bleiben. Ganz selbstverständlich bin ich sechs Wochen nach jeder Geburt wieder in die Fabrik gegangen. Und während ich dort schuftete, hat Mutter meine Kinder in die Türkei geschickt. Die Kinder meiner Schwägerinnen
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