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Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt

Titel: Mich hat keiner gefragt - Mich hat keiner gefragt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse
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zwei Zimmern zu fünft leben sollten. Und immer wieder gab es Streit.
    Irgendwann gab er schließlich nach. Seine Bedingung: Die Wohnung musste billig und in der Nähe der Familie sein. Wahrscheinlich hat er gedacht: ›Das schafft sie ohnehin nicht.‹
    Im Herbst 1986 kam unsere kleine Tochter zur Welt. Der ganze Clan stand Kopf. Nach all den Jungen in unserer Familie hatte ich das erste Mädchen zur Welt gebracht. Wir nannten sie Birgül, das bedeutet »Eine Rose« auf Deutsch. Als ich mein kleines Töchterchen in den Armen hielt, war ich stolz und glücklich. Auch Mustafa war selig und meine Schwiegermutter erst recht. Sofort nach der Geburt kam sie ins Krankenhaus und herzte das Baby, wollte es gar nicht mehr hergeben. Später, als ich mit dem Kind wieder zu Hause war, brachte sie jeden zweiten Tag ein neues Kleidchen. Sie schien wie ausgewechselt. Plötzlich war sie wieder wie früher. Auch mich nahm sie nach all den Jahren wieder in den Arm. Würde jetzt doch noch alles gut werden?
    Can war inzwischen aus der Türkei zurückgekommen, weil er hier eingeschult wurde. Er freute sich, wieder bei uns zu sein, und vergötterte sein kleines Schwesterchen. In der Wohnung wurde es – wie erwartet – zu eng. Nun lebten wir zu viert in den zwei kleinen Zimmern. Can schlief in unserem Wohnzimmer, das Baby war bei uns im Schlafzimmer. Und natürlich schlief Birgül nicht durch. Alle drei, vier Stunden wachte sie auf und wollte trinken. Mustafa hörte sie nicht immer, aber wenn, dann fühlte er sich in seinem Schlaf gestört. Das passte ihm gar nicht und er schimpfte ständig. Bald sah er ein, dass wir mehr Platz brauchten. Kurz nach Birgüls Geburt ging ich also auf Wohnungssuche. Nachdem ich meine Stelle gekündigt hatte, war endlich Zeit dafür. Ich wollte zu Hause bleiben und Birgül selbst großziehen. Mutter würde mir nicht mehr dazwischenfunken und das Kind in die Türkei schicken. Aber natürlich musste ich Geld verdienen, denn wovon sollten wir leben? Mustafa hatte sich ein paar Monate zuvor selbstständig gemacht, aber auf sein Einkommen war kein Verlass. Ich übernahm also die Heimarbeit, die sie und ich so viele Jahre zusammen gemacht hatten. Natürlich verdiente ich alleine viel weniger, aber irgendwie würde es schon gehen. Eswar Winter geworden, als ich ein kleines Häuschen am anderen Ende des Dorfes fand. Der größere Abstand war mir gerade recht. Außerdem war die Miete günstig.
    Dennoch bereitete mir das Geld nach wie vor Kopfzerbrechen. Mustafa und ich machten mit den Schwiegereltern immer noch gemeinsame Kasse. Ich wusste nicht, wie viel Geld wir tatsächlich im Monat zur Verfügung hatten und wie viel wir brauchten, zumal Mustafa ja kein festes Einkommen hatte. Er hatte seinen Traum wahr gemacht und sich einen LKW gekauft. Seit ein paar Monaten arbeitete er als selbstständiger Fahrer für eine Firma im Nachbardorf. Mir kam die ganze Geschichte sonderbar vor, weil auf dem Laster der Name der Firma stand, diese aber keinen Pfennig in das Fahrzeug gesteckt hatte. Außerdem musste er das Benzin selbst bezahlen. Das war alles unser Geld, das heißt eigentlich das Geld von der Bank. Denn kaum hatte Mustafa den Plan gefasst, da war er schon zur Bank gegangen und hatte einen Kredit aufgenommen. Mich hatte er vorher natürlich nicht gefragt.
    Mutter schien das zu gefallen. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, dass sie Ärger gemacht hätte. Bei ihm war sie sowieso nie streng. Er hatte vor Jahren seine Lehre abgebrochen und nie wieder eine neue begonnen. Im Gegensatz zu seinen Brüdern. Die beiden mittleren Söhne hatten eine Berufsausbildung abgeschlossen und verdienten inzwischen ihr eigenes Geld. Mustafa war seit seinem siebzehnten Lebensjahr Gelegenheitsarbeiter. Ich glaube, so nennt man das. Er hatte mal hier einen Job, mal dort und dazwischen war er immer wieder arbeitslos. Ein regelmäßiges Einkommen hatte er bis jetzt nie gehabt. Ich weiß nicht, warum Mutter ihm das durchgehen ließ, aber für sie machte ihr Ältester immer alles prima. So muss es wohl auch mit seiner Selbstständigkeit gewesen sein. Und ich? Ich war froh, dass er überhaupt arbeitete und hoffte, dass wir den Kredit rechtzeitig zurückzahlen könnten.
     
    Das neue Haus war ein Traum. Es war klein und ein bisschen windschief, aber wir hatten es für uns allein. Im Winter konntenwir zwar auch nur im Erdgeschoss wohnen, weil dort der einzige Ofen stand, aber im Sommer hatten wir noch zwei Räume im ersten Stock. Endlich hatten

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