Michael - der Beschützer
einzige Knitterfalte entdecken. Kein Wunder, dass sein Bruder so lange seine Rolle im Jetset erfolgreich gespielt hatte.
“Apropos Lebensstil”, sagte Shayne. “Ich bin ein wenig enttäuscht, dass das Leben eines Privatdetektivs nicht so verläuft, wie es immer im Fernsehen gezeigt wird.”
“Langweilst du dich schon?”
Es hätte Michael nicht überrascht. Shayne hatte wie Roarke, der dritte Bruder, die Rastlosigkeit des Vaters geerbt. Roarke hatte allerdings seine Wanderschuhe an den Nagel gehängt und sogar angekündigt, er wollte am Labor Day die Staatsanwältin Daria Shea heiraten.
Shayne war eine Beziehung mit der Vermieterin des Detektivbüros eingegangen, mit der Antiquitätenhändlerin Bliss Fortune. Daher hoffte Michael, der jüngste der O’Malley-Brüder könnte Roarkes Beispiel folgen.
Michael hätte Shayne nicht so sehr vermisst, sollte er wieder fortgehen, aber ihre Mutter hätte es getroffen. Nein, gestand Michael sich ein, das stimmt nicht. Er hatte sich daran gewöhnt, dass seine Brüder wie in alten Zeiten wieder in New Orleans waren. Jetzt trug er allerdings nicht mehr die ganze Last der Verantwortung auf seinen Schultern.
“Ich langweile mich überhaupt nicht”, versicherte Shayne. “Deine lachhafte Buchhaltung liefert mir mehr als genug Arbeit. Ich hatte mir nur vorgestellt, wir hätten wie Thomas Magnum ständig unzählige schöne Frauen in Bikinis oder Unterwäsche um uns herum.”
“Wozu brauchst du denn andere Frauen? Du hast doch Bliss.”
“Stimmt”, bestätigte Shayne nachdenklich und fügte nach einem Schluck hinzu: “Sie ist anders.”
“Sie ist etwas Besonderes”, betonte Michael. Er hatte sich mit der warmherzigen Antiquitätenhändlerin schon angefreundet, bevor Shayne ein Auge auf sie geworfen hatte.
Shayne seufzte. “Ja, sie ist etwas Besonderes.”
Michael wurde hellhörig. “Hast du Probleme?” erkundigte er sich.
“Nein, eigentlich nicht. Ich muss mir nur so einiges überlegen.”
“Tu ihr nicht weh, sonst muss ich dich töten, obwohl du mein kleiner Bruder bist.”
“Das würde dir ähnlich sehen”, erwiderte Shayne mit einem mutwilligen Lächeln, das Michael nur zu gut kannte.
“Worauf hast du dich denn jetzt wieder eingelassen?” fragte er wissend.
“Ich?” erwiderte Shayne unschuldig.
“Ist sonst noch jemand hier? Versuch erst gar nicht, mir auszuweichen. Ich kenne mittlerweile alle deine Tricks.”
“Ach, was bist du doch misstrauisch”, erwiderte Shayne tief seufzend. “Ich werde gern deine Entschuldigung annehmen, wenn du bereust, dass du mir nicht vertraut hast.”
In Wahrheit vertraute Michael auf der Welt nur zwei Menschen, seinen Brüdern. Und natürlich seiner Mutter, aber um die ging es hier nicht.
“Irgendetwas ist da im Busch”, drängte er.
“Ich habe heute einen interessanten Anruf erhalten”, erklärte Shayne und war sichtlich erleichtert, dass sie nicht länger über sein Liebesleben redeten. “Und zwar von einem möglichen neuen Klienten aus Los Angeles. Er kommt geschäftlich in unsere schöne Stadt und sucht Personenschutz.”
“Dann hat er die richtige Nummer gewählt.”
“Genau das habe ich auch gesagt. Zuerst betonte ich, wir wären die Besten auf diesem Gebiet. Dann wies ich auf unsere hervorragenden Verdienste hin. Und danach meinte ich, mit einiger Mühe könnten wir trotz vollen Terminplans einen neuen Klienten annehmen … für unseren üblichen Satz von tausend Dollar pro Tag plus Spesen.”
“Tausend Dollar pro Tag?” Michael stellte die leere Flasche auf den Tisch.
“Plus Spesen”, fügte Shayne hinzu.
“Das ist der doppelte Satz der Blue-Bayou-Detektei.”
“Stimmt, aber wir sind ja jetzt auch zu zweit. Außerdem kann dieser Typ es sich leisten, Mike. Und wir gleichen dadurch aus, dass du letzte Woche gratis gearbeitet hast.”
“Hättest du den Fall ablehnen können? Shayne, der Ehemann hatte dieser Frau ihr Kind weggenommen! Direkt vor ihrem Haus! Und die Polizei dachte gar nicht daran, ihn zu suchen.”
“Das kleine Mädchen war allerdings zufällig auch die Tochter dieses Mannes.”
“Der Vater ist ein ständig betrunkener Kleinbetrüger. Der Richter hat nicht nur der Mutter die Vormundschaft übertragen. Er entschied auch, dass der Vater das Kind nicht ohne Aufsicht sehen darf.”
“Leider hat der Richter keine Möglichkeit gefunden, wie sie von dem Typ Unterhalt für das Kind bekommt. Und darum konnte sie auch keinen Detektiv bezahlen, der ihr Kind
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