Michael, der Finne
großes Faß beiseite rollte, dahinter ein Türchen sichtbar wurde. Im anstoßenden Keller fanden wir einen Knaben und ein liebliches, kaum fünfzehnjähriges Mädchen, die sich in Todesangst an die schimmelige Kellerwand drückten und meinten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Dort fanden sich auch eine Anzahl silberner Gefäße und Leuchter sowie ein Lederbeutel mit Golddukaten. Das Mädchen kam auf unser Geheiß, schluchzend vor Angst, heraus, den Weinhändler aber stieß Andy hinein und befahl ihm, die Wertsachen seinem Weib und seiner Tochter herauszureichen, die sie nach oben tragen sollten. Nachdem wir uns vergewissert hatten, daß das modrige Loch leer war, abgesehen von Speise und Trank, die man den Kindern hineingestellt hatte, erklärte Andy dem Mann, er und sein Sohn müßten um ihrer eigenen Sicherheit willen dort eingesperrt werden, und sein Weib und seine Tochter eigneten sich zumindest ebensogut wie er, die Gastgeber zu spielen.
Gesagt, getan. Das Türchen wurde verschlossen, das Faß davorgerollt, ungeachtet der Flüche und Klagen unseres Gefangenen. Das Mädchen weinte so bitterlich wie er, ich aber tröstete sie, so gut ich konnte. Als ich ihr Haar streichelte und nach ihrem Namen fragte, gestand sie mir, sie heiße Giovanna, und bat, wir möchten glimpflich mit ihr verfahren. Dann kehrten wir an die Tafel zurück, breiteten unsere Beute darauf aus und teilten sie redlich unter uns, so daß Andy als unser Führer drei Achtel, ich als Arzt zwei und jeder Pikenier ein Achtel erhielten. Die Männer waren nicht neidisch und schenkten in ihrer Freude über diesen unerwarteten Reichtum jeder den Mägden einen Dukaten, die ihre Tränen trockneten, lächelten, mit uns Wein tranken und den Pikenieren Italienisch beizubringen versuchten.
So verging die Nacht heiter und in Freuden. Andy mußte nur selten aufstehen, um Soldaten zu verscheuchen, die an die Tür polterten und das Haus auszurauben hofften, das wir in Schutz genommen hatten. Andy sprach höflich und lange mit unserer Wirtin und überredete sie, etwas Wein zu trinken; einige Male lächelte sie sogar trotz des Verlustes so vieler Kostbarkeiten, als seine Arme sie umfingen. Giovanna war so jung und schön, daß ich den Blick nicht von ihr wenden konnte; ich streichelte ihr weiches Haar und versuchte ihre Tränen zu trocknen. Obwohl betrunken, führte ich doch nichts Böses im Schilde und begnügte mich damit, sie zu küssen und zu liebkosen. Als sie dies gewahr wurde, erwiderte sie meine Küsse, und wir schliefen unschuldig einer in des anderen Armen ein.
Als ich am nächsten Morgen erwachte und sie anblickte, lächelte sie mich scheu aus ihren dunklen Augen an, und ich wußte, daß ich sie recht von Herzen liebte. Um ihre Familie für mich einzunehmen, gab ich alles Silberzeug, das mir zugefallen war, zurück und behielt nur das Geld, das leichter zu tragen war. Wir verließen, herrlich ausgeruht und in glänzender Laune, das Haus, und Andy versprach unserer Wirtin, wir würden am Abend zurückkommen, um über ihre Ehre zu wachen.
Als wir aber am Abend zurückkehrten, sahen wir, daß die Spanier hier gewesen waren. Sie hatten den Mann an einem Dachsparren aufgeknüpft, nachdem sie ihm die Füße versengt hatten, damit er sein Geld herausgebe. Sein Weib und sein Sohn lagen tot in ihrem Blut, und Giovannas nackte Leiche fand ich in dem Bett, darin wir gelegen hatten. Sie war nicht mehr schön, denn sie hatten sie erdrosselt.
Es wäre besser gewesen, ich hätte ihrer Jungfräulichkeit nicht geschont, sondern sie mit Gewalt entführt und sie mit dem Schwert in der Faust verteidigt.
4
Acht Tage und Nächte hindurch ging das sinnlose Plündern weiter. Wenn ich mir heute jemals die Schrecken der Hölle ausmalen wollte, brauchte ich mir nur manche Bilder von damals wieder ins Gedächtnis zu rufen. Der Mensch kann keine Entweihung, Ausschreitung und kein Verbrechen ersinnen, das damals nicht begangen worden wäre. Des größten Malers Schilderungen des Jüngsten Gerichts sind ein Kinderspiel im Vergleich zu den Schrecken der Plünderung Roms.
Es gab keinen Mann, wie angesehen und heiligmäßig er auch sein mochte, der nicht sein Leben mit seinem Vermögen erkaufen mußte; keine Frau, wes Standes sie auch war, deren Ehre geschont worden wäre. Berauscht von Blut und Wein, wetteiferten Deutsche, Spanier und Italiener miteinander in ausgeklügelten Erpressungsmethoden; Anhänger des Papstes wie des Kaisers fielen ihnen ohne Unterschied zum Opfer.
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