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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Belagerung mit Nahrungsmitteln versehen war. Das Feuer wurde aus Angst, die Bürger zu treffen, eingestellt, und Andy und ich fanden uns mit vielen Spaniern und Pikenieren mitten in dieser unbeschreiblichen Verwirrung.
    So wurden wir des Stromes der Würdenträger ansichtig, wie sie eilends aus dem gedeckten Gang auftauchten und sich einen Weg über die Brücke in die Festung bahnten. An ihrer Spitze taumelte ein gebeugter, schluchzender Mann, dem jemand den purpurnen Bischofsmantel um die Schultern gelegt hatte. Wir erfuhren später, daß dieser hilflose, weinende, gebrochene Flüchtling niemand anders war als der Papst selbst. So hatte ich mein Ziel erreicht – ein Ziel, das unendlich ferne schien, als ich meinen tödlichen Eid schwor und mir das Blut meines Weibes Barbara über die Hände lief.
    Wir hatten noch immer nicht das ummauerte Viertel Trastevere auf derselben Seite des Flusses eingenommen, und es war schon später Nachmittag, als die Engelsburg endlich von allen Seiten eingekreist war und die Führer der Kaiserlichen ihre Truppen wieder in Schlachtordnung sammeln konnten. Die Altstadt am jenseitigen Ufer war noch sicher, aber die Römer waren dermaßen erschrocken, daß nur wenige an Verteidigung dachten. Der Großteil bemühte sich, sichere Verstecke für ihre Schätze zu finden. Reiche Flüchtlinge suchten Zuflucht innerhalb der starken Mauern der Paläste, und viele Kardinäle, die sich zu des Kaisers Freunden zählten, blieben im Vertrauen auf ihre Unverletzlichkeit ruhig zu Hause. Diese Würdenträger boten anderen angesehenen Persönlichkeiten Zuflucht. Auch die Gesandtschaften fremder Mächte waren überfüllt, während die Armen, die keine mächtigen Gönner hatten, ihre Habseligkeiten zusammenrafften und die zahllosen Kirchen und Klöster der Stadt füllten.
    Die Bürger von Rom erfaßten den Ernst ihrer Lage immer noch nicht ganz; als nämlich bei einer Sitzung des Stadtrates ein paar kühne Geister vorschlugen, die Tiberbrücken zu zerstören und so die Stadtteile am linken Ufer zu sichern, widersetzten sich die Stadträte einstimmig einer so einschneidenden Maßnahme, weil die Brücken doch schön seien und ihre Wiederherstellung viel Geld kosten würde. So schlug Gott die Bürger mit Blindheit. In der Dämmerung bliesen die Trompeten erneut zum Angriff, und die Kaiserlichen zogen in guter Ordnung zum Ponte Sisto, denn es lag auf der Hand, daß nur die Unterwerfung der ganzen Stadt uns den Sieg sichern konnte.
    Im letzten Augenblick wurden die Truppen angehalten von dem achtzehnjährigen Markgrafen von Brandenburg, der in Rom studierte und nun an die Spitze einer Abordnung der Stadt getreten war und versuchte, seine Landsleute zu beschwichtigen. Aber die bärtigen, schmutzigen Pikeniere lachten ihm ins Gesicht, zogen ihn in ihre Reihen und zerstreuten die feierliche Abordnung mit gefällten Piken. Einige junge römische Edle hatten etwa zweihundert Mann auf die Beine gebracht, mit denen sie die Brücke bis zur Nacht halten wollten. Sie führten eine Fahne mit der Aufschrift Pro Fide et Patria, aber die Pikeniere traten bald Fahne und Verteidiger in den Staub und marschierten über die Brücke, um sich gleich einer Sturzflut über die schutzlosen Stadtviertel zu ergießen. An jenem ersten Tag verloren wohl an die zehntausend ihr Leben, der Großteil davon waffenlose Flüchtlinge.
    Bei Anbruch der Dunkelheit ließen die Heerführer zum Sammeln blasen. Die Spanier lagerten auf der Piazza Navona, die Deutschen auf dem Campo di Fiore, wo sie Türen und Möbel verheizten, Weinfässer aus den Kellern rollten und sich nach dem harten Tagewerk labten. Rom gehörte uns, und da die Zahl unserer Toten sehr gering war, hatten wir allen Grund, zu frohlocken. Aber die Führer wollten ihre Truppen zusammenhalten, weil sie eine Überraschung durch die verbündeten Heere befürchteten. In der Tat flammten bis spät in die Nacht von der Engelsburg die Feuerzeichen; dort wartete der Papst auf seine Freunde, daß sie kämen und ihn befreiten.
    Die Truppen blieben bis Mitternacht zusammen, geeint durch die gemeinsame Gefahr. Dann aber wurden sie im Rausch aufsässig und unzufrieden. Bei Gott, meinten sie, sie hatten Rom nicht mit dem Schwert in der Faust erobert, um zitternd vor Kälte auf seinem Steinpflaster zu sitzen, während die Offiziere sich mit heiteren römischen Damen auf weichen Pfühlen vergnügten. Die Reihen lichteten sich, ein Trüpplein nach dem anderen verschwand in den dunklen Straßen, bis die

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