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Michael, der Finne

Michael, der Finne

Titel: Michael, der Finne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mika Waltari
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Gottes, ich sterbe!«
    Eine Bleikugel hatte ihm Hüfte und Leistengegend durchschlagen. Die Soldaten hoben ihn auf, und der Prinz von Oranien breitete seinen Mantel über ihn, damit von den Wällen nicht mehr auf ihn geschossen werde. Dann trugen sie ihn in eine Kapelle in einem nahen Weingarten, wo er trotz des Bannes von seinem Beichtiger die Sterbesakramente empfing. Er lebte nur noch wenige Stunden, aber im Todeskampf riß er sich die Verbände von den Wunden und versuchte sich aufzurichten, wobei er mit schrecklicher Stimme schrie: »Nach Rom, nach Rom!« Der Schrei hallte durch die offene Kapellentür zu den Soldaten hinüber, die eben die Mauern stürmten.
    Geschichtsschreiber haben mit wohlgesetzten Worten erzählt, wie das kaiserliche Heer vorstürmte, um den Tod seines Feldherrn zu rächen; doch, um die Wahrheit zu sagen, weder Spanier noch Deutsche erwachten aus ihrer Untätigkeit, bis sie sicher wußten, daß seine Wunde tödlich war. Erst dann setzten sie zu einem heftigen Angriff an und brüllten einander hingerissen zu, nun könne sie niemand mehr an der Plünderung Roms hindern. Viele nahmen für sich die Ehre in Anspruch, den Herzog erschossen zu haben; darunter sei ein verlogener Goldschmied namens Benvenuto Cellini erwähnt, der das Feuer von der Engelsburg leitete. (Nach der Entlassung der päpstlichen Truppen mußte der Kommandant der Engelsburg seine Geschütze mit Künstlern und anderem Gelichter bemannen.) Ich aber bin überzeugt, daß irgendein spanischer Arkebusier, angespornt von seinen Kameraden, den Herzog von Bourbon erschoß.
    Wie dem auch sei, Spanier und Deutsche übertrafen einander nun an Kampfeslust. Die Spanier entdeckten in Kardinal Armellinis Garten ein an die Stadtmauer angebautes Haus. Von diesem Haus führte ein hastig mit Schutt verrammelter unterirdischer Gang in die Stadt. Während sie sich dort mit Schaufeln einen Weg bahnten, setzten die deutschen Pikeniere am Heiliggeisttor in langen Reihen Sturmleitern an. Der erste, der lebend oben ankam, war ein Prediger namens Nikolai, ein Weber seines Zeichens, und der zweite war Andy, der die Kanoniere mit seinem Bihänder niedermähte und sogleich die Geschütze gegen die Stadt, auf die Engelsburg, richtete. Als ich die Tore aufgehen, die Pikeniere hineinströmen und Andy ohne Helfer unter seinen Kanonen hierhin und dorthin stürzen sah, empfahl ich meine Verwundeten Gottes Hut und erkletterte die Mauer, um ihm zu helfen.
    Inzwischen wurde vor der Peterskirche die Schweizergarde des Papstes bis auf den letzten Mann niedergemacht. Die Kaiserlichen begnügten sich auch nicht mit dem Morden, sondern warfen Feuerbrände in die Häuser, so daß der Rauch allgemach gen Himmel stieg. Sie töteten jedes Pferd und jedes Maultier, dessen sie ansichtig wurden, damit keiner darauf seine Beute in Sicherheit brächte, bevor nicht die ganze Stadt erobert war. Dieses Stadtviertel wurde rasch eingenommen.
    Noch donnerten von der Engelsburg die Kanonen und erschwerten den Anmarsch auf die Zitadelle, aber keiner von den Unseren nahm sich die Mühe und die Zeit, das Feuer zu erwidern, und bald standen Andy und ich allein auf der Mauer. Das unaufhörliche Wehklagen der Menge drang wie Meeresbrausen zu uns empor, noch übertönt von den gellenden, triumphierenden Schlachtrufen »Espana, Espana! « und »Imperio, Imperio! «
    Angesteckt von der allgemeinen Raserei, achtete ich der Gefahren, die uns drohten, nicht länger. Wir sprangen eilends von der Mauer und hasteten zur Engelsburg. Inzwischen hatten die Spanier Sankt Peter und die Deutschen den Vatikan erstürmt, und wir erfuhren erst später, wie uns der Papst im letzten Augenblick entwischt war. Er hatte den Vormittag in Gebeten in der sixtinischen Kapelle verbracht, umgeben von Kardinälen und fremden Gesandten, und während die Deutschen noch an den Toren des Vatikans kämpften, wurde Seine Heiligkeit von seinem Gefolge in den gedeckten Gang gebracht, der vom Vatikan in die Engelsburg führte.
    Scharen von Flüchtlingen ergossen sich nun über die Tiberbrücken, um ebendort Schutz zu suchen, und mit ihnen kamen die Armen des Borgoviertels, so daß vor dem Graben und der Zugbrücke der Burg ein unheilvolles Gedränge entstand. Viele Weiber und Kinder wurden niedergetrampelt, andere fielen ins Wasser und ertranken. In diesem Augenblick machte die Besatzung der Engelsburg einen plötzlichen Ausfall, um in den umliegenden Häusern Proviant zu erbeuten, weil die Festung nicht ausreichend für eine

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