Michel bringt die Welt in Ordnung
Junge«, sagte sie. »Er hätte neulich zwar beinahe die Frau Pastor in Brand gesteckt, aber dafür hat er schon im Tischlerschuppen gesessen. Das ist also nichts, worauf du jetzt noch herumhacken musst!«
Es war der 17. August gewesen, als Michel wegen der Frau Pastor im Tischlerschuppen sitzen musste. An dem Tag war sie nämlich nach Katthult gekommen, um sich ein Webmuster von Michels Mama zu holen. Sie wurde zum Kaffee in die Fliederlaube eingeladen und dort wollte sie sich das Webmuster ansehen. Sie hatte schwache Augen, und deshalb nahm sie ein Vergrößerungsglas aus ihrer Handtasche. So ein Ding hatte Michel noch nie gesehen und er interessierte sich sehr dafür.
»Du kannst es gern einmal haben«, sagte die Frau Pastor in ihrer Einfalt. Sie wusste wohl nicht, dass Michel mit allem Unfug machen konnte, und ein Vergrößerungsglas war nicht das Schlechteste. Michel erkannte bald, dass man es als Brennglas benutzen konnte. Wenn die Sonne auf das Glas schien, sammelten sich die Strahlen in einem Punkt, der leuchtete und glühte. Michel sah sich nach etwas richtig Brennbarem um, etwas, was sich in Brand stecken ließe. Die Frau Pastor saß ganz still da und redete und redete mit seiner Mama. Ihren Kopf hielt sie ganz ruhig. Die zerzausten Straußenfedern auf ihrem feinen Hut sahen ziemlich feuerempfindlich aus und Michel versuchte es. Nicht weil er glaubte, es könnte glücken – man müsste es ver-
suchen, fand er, denn wie sonst sollte man etwas lernen auf dieser Welt.
Das Ergebnis seines Versuchs wird in dem blauen Schreibheft so beschrieben:
»Auf einmal fing’s an um die Pastorin zu räuchern und zu qualmen, ja, aber Feuer haben die Federn nicht gefangen. Es gab nur Rauch. Und ich hab gedacht, nun würde Michel besser werden, wo er doch Guttempler geworden ist. Ja, schön wär’s. Der Herr Guttempler saß den Rest des Tages im Tischlerschuppen, ja, ja, so ist es.«
Am 25. August kam Michel in die Schule. Wenn die Lönneberger gedacht hatten, dass er sich dort in der Erde verkriechen würde, dann waren sie auf dem Holzweg. Die Lehrerin ahnte wohl als erste, dass dort in der Bank dicht am Fenster ein angehender Gemeinderatspräsident saß. Höre und staune: Michel wurde der Beste in der Klasse! Lesen konnte er schon, als er hinkam, ein bisschen schreiben übrigens auch, und rechnen lernte er schneller als alle anderen. Natürlich machte er Unfug, aber nicht mehr, als die Lehrerin aushalten konnte. Na ja, einmal geschah es, dass er sie mitten auf den Mund küsste. Darüber redeten sie in Lönneberga auch noch lange.
Es passierte so: Michel stand vorn an der Tafel und hatte wirklich schwere Zahlen zusammengerechnet, und als das klar war, sagte die Lehrerin:
»Gut, Michel, du kannst dich wieder setzen!«
Das tat er auch. Im Vorbeigehen beugte er sich aber über die Lehrerin, die am Katheder saß, und gab ihr einen richtigen Kuss mitten auf den Mund. So etwas hatte sie
noch nie erlebt und sie wurde rot und stotterte: »Michel, warum … warum … hast du das getan?«
»Das tat ich wohl in meiner Güte«, sagte Michel und es wurde nachher so gut wie ein Sprichwort in Lönneberga.
»Das tat ich in meiner Güte, sagte der Katthult-Junge, als er die Lehrerin küsste«, pflegten sie zu sagen und sagen es vielleicht heute noch, was weiß ich.
In der Pause danach kam einer der großen Jungen und wollte Michel damit aufziehen. »Du küsst also die Lehrerin«, sagte er und grinste höhnisch.
»Ja«, sagte Michel, »willst du, dass ich es noch einmal tue?«
Aber das tat er nicht. Es geschah nur einmal und nie wieder. Und die Lehrerin war Michel nicht böse wegen des Kusses, nicht im Entferntesten.
Es gab noch mehr, was Michel in seiner Güte tat. In der Pause rannte er ins Armenhaus hinüber und las Stolle-Jocke und den anderen aus der »Småland-Post« vor. Glaub also nicht, dass Michel nicht auch Gutes in sich hatte.
Im Armenhaus fanden sie jedenfalls, dass es die beste Stunde des Tages war, wenn Michel kam, und sie freuten sich, Stolle-Jocke und Johann-Ein-Öre und Kalle-Karo und Unken-Ulla und wie die armen Menschen alle hießen. Stolle-Jocke bekam vielleicht nicht alles so gut mit, denn als Michel ihm vorlas, dass am kommenden Samstag im Stadthotel ein großer Ball stattfinden sollte, da faltete Stolle-Jocke die Hände und sagte andächtig:
»Amen, Amen, ja, ja, so soll es geschehen!«
Aber die Hauptsache war ja, dass Stolle-Jocke und die anderen Freude daran hatten
Weitere Kostenlose Bücher