Michel muss mehr Männchen machen
hörte das von der Maus und obwohl er Fieber hatte, überlegte er sich gleich, wie er sie fangen könnte, falls es mit der Katze nicht so ganz klappen sollte.
Um zehn Uhr am Abend dieses 27. Juli war Michel absolut fieberfrei und voller Tatendrang. Um diese Zeit schliefen all die anderen auf Katthult, Michels Papa, Michels Mama und Klein-Ida in der Kammer neben der Küche, Lina in ihrem Küchenbett und Alfred in seiner Knechtshütte neben dem Tischlerschuppen.
Schweine und Hühner schliefen im Schweine- und im Hühnerstall, Kühe und Pferde und Schafe schliefen draußen auf den grünen Wiesen – aber in der Küche saß die Katze hellwach und hatte Sehnsucht nach der Scheune, denn dort gab es mehr Mäuse.
Hellwach war auch Michel. Und aus seinem Bett in der Kammer kam er leise in die Küche geschlichen.
»Armes Schnurrchen«, sagte er, als er die Katzenau-
gen hinten an der Küchentür leuchten sah, »hier sitzt du nun.«
»Miau«, antwortete Schnurrchen. Und tierfreundlich wie er war, der kleine Michel, ließ er Schnurrchen hinaus.
Die Maus musste natürlich gefangen werden, das war Michel klar und weil die Katze jetzt nicht mehr da war, musste es auf irgendeine andere Weise geschehen.
Deshalb nahm Michel eine Mausefalle und stellte sie mit einem kleinen Stück Speck neben der Holzkiste auf. Dann aber dachte er nach. Wenn die Maus die Fal-
le sah, sobald sie ihre Nase aus dem Loch steckte, würde sie misstrauisch werden und sich überhaupt nicht mehr fangen lassen. Es wäre besser, dachte Michel, wenn die Maus erst einmal in aller Ruhe in der Küche herumstrolchen könnte und dann ganz plötzlich die Falle dort finden würde, wo sie sie am wenigsten vermutete. Michel dachte auch kurz daran, die Falle auf
Linas Gesicht zu stellen, weil die Maus gerade dort gern herumlief. Aber er fürchtete, Lina könnte aufwachen und alles verpatzen. Nein, es musste woanders sein. Warum eigentlich nicht unter dem großen Klapptisch? Gerade dorthin müsste doch eine Maus laufen, um nach heruntergefallenen Brotkrumen zu suchen. Natürlich nicht gerade unter dem Platz von Michels Papa, da war es nur mager mit Brotkrümeln bestellt.
»Wie schrecklich«, sagte Michel und blieb mitten in der Küche stehen. »Wenn die Maus nun mal ausgerechnet dorthin kommt und findet keine Brotkrümel und knabbert stattdessen an Papas großem Zeh!« Das durfte nicht geschehen, dafür würde Michel sorgen. Und deshalb stellte er die Mausefalle dorthin, wo sein Papa immer die Füße hinsetzte. Dann kroch er, sehr zufrieden mit sich, wieder ins Bett.
Erst am hellen Morgen wachte er auf und es war lautes Geschrei aus der Küche, das ihn geweckt hatte.
Die freuen sich, dass die Maus gefangen ist, deshalb schreien sie so, dachte Michel, aber in dem Augenblick kam seine Mama hereingestürzt. Sie zerrte ihn aus dem Bett und zischte ihm ins Ohr: »Schnell raus mit dir in den Tischlerschuppen, bevor Papa seinen großen Zeh aus der Mausefalle rausbekommt! Schnell – sonst, glaub ich, hat deine letzte Stunde geschlagen.«
Sie ergriff Michels Hand und rannte los mit ihm, so wie er war, im Hemd, denn zum Anziehen war keine Zeit.
»Aber meine Büsse und meine Müsse müssen jedenfalls mit!«, schrie Michel. Er packte die Mütze und die Büchse und rannte, dass sein Hemd nur so flatterte, geradewegs zum Tischlerschuppen.
Dort musste er immer sitzen, wenn er Unfug gemacht hatte. Michels Mama schob außen den Riegel vor die Tür, damit Michel nicht herauskommen konnte, und Michel schob innen den Riegel vor, damit sein Papa nicht hereinkommen konnte – klug und vorsorglich waren sie beide.
Michels Mama fand, es wäre das Beste, wenn Mi chel seinem Papa ein paar Stunden lang nicht begegnen würde. Das fand Michel auch, deshalb schob er ja den
Riegel sorgfältig zu, bevor er sich in aller Ruhe auf den Hauklotz setzte und ein lustiges Holzmännchen schnitzte. Das machte er immer, wenn er nach einem Streich im Tischlerschuppen eingesperrt wurde, und er hatte schon siebenundneunzig Männchen zusammengekriegt. Sie standen sauber aufgereiht auf einem Regal und Michel freute sich, als er sie sah und wenn er daran dachte, dass er bald hundert haben würde.
Das sollte ein richtiges Jubiläum werden! »An dem Tag werde ich ein Fest im Tischlerschuppen geben, aber ich will nur Alfred einladen«, nahm er sich vor, als er da auf dem Hauklotz saß mit dem Schnitzmesser in der Faust. Von weitem hörte er das Gebrüll seines
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