Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
konnte anfangs etwas zu abgehoben, intellektuell und elitär wirken. Seine beiden Bücher «Dreams from My Father» und «The Audacity of Hope» waren zu Bestsellern geworden. Für die von ihm selbst gelesene Hörbuchfassung hatte er einen Grammy bekommen. All das nutzte Michelle, um über den angeblichen Superman zu spotten. «Ich höre, er ist ein eindrucksvoller Mann. Ein großartiger Redner. Ein Juraprofessor. Ein Bestsellerautor. Und ein Grammy-Gewinner. Bewundernswert!» Doch «wie bringe ich das in Einklang mit dem Typen, der bei mir zuhause lebt? Seine fünfjährige Tochter ist besser im Bettenmachen als er.» Barack flachste dann gern zurück: «Sie sollte ins Rennen gehen. Sie ist klüger, sieht besser aus und teilt härter aus. Sie kann viel gemeiner sein als ich. Nur leider ist sie zu intelligent, um sich das anzutun.»
Es waren neue Töne für einen amerikanischen Wahlkampf. Die Bürger waren es gewohnt, dass eine Kandidatenfrau ihren Ehemann öffentlich anhimmelt und es vermeidet, so zu tun, als sei sie klüger als er. Bei den Obamas funktionierte die ungewöhnliche umgekehrte Rollenverteilung wohl auch deshalb so gut, weil sie authentisch wirkte. Ihre Freunde sagen, das Paar halte sich privat ebenfalls an die Abmachung: Sie darf sich über ihn lustig machen, er umgekehrt nicht. Die einzige, entfernt kritische Bemerkung, die Barack öffentlich über Michelle gemacht hat, ist die Andeutung in seinem Buch «The Audacity of Hope», sie habe ein Talent, Strafzettel zu kassieren.
Für ihre Einzelauftritte hatte sich Michelle bald eine eigene 45-minütige «stump speech» zurechtgelegt. So nennt man in den USA die Grundfassung einer Wahlkampfrede, die sich an verschiedenen Orten beliebig oft einsetzen lässt. Es war eine muntere Mischung aus politischen Zielen und Pointen, die verlässliche Lacher im Publikum auslösen. Sie begann meist mit einer düsteren Beschreibung, was für ein trauriges Land Amerika unter George W. Bush geworden sei: politisch gespalten, in Furcht vor Terror, mit zynischen Einstellungen zu Geld und Karriere. Viele Familien fänden kaum noch ihr Auskommen. Oft folgte die nostalgische Beschreibung ihrer Kindheit, die sie auch heute als First Lady erfolgreich einsetzt. Zwischendurch lockerte sie die Atmosphäre mit Scherzen über Barack auf, die zum Teil ziemlich weit gingen. Morgens sei ihr Mann «stinky and snorey» – frei übersetzt: ein Morgenmuffel, der schnarcht und unangenehm riecht, weshalb die Töchter ungern zu ihm ins Bett kriechen. Sie verriet auch, dass sie ihm eine Bedingung gestellt habe, ehe sie ihm die Präsidentschaftskandidatur erlaubte. Er müsse das Rauchen aufgeben. Die Bürger sollten doch, bitte, darauf achten, ob er seine Zusage auch einhält.
Für die Wahlkampfstrategen war Michelle ein Geschenk. Doch zugleich verursachte sie ihnen Schweißausbrüche. Sie ist eine Sympathieträgerin, das ließ sich schwer bestreiten. Sie wirkte auf viele Bürger so einnehmend, gerade weil sie kein Blatt vor den Mund nahm. Doch zugleich war sie ein Risiko. Wer konnte schon verlässlich einschätzen, wie viele der Zuhörer es sympathisch fanden, wenn sie über ihren Mann herzog – und wie viele seine häuslichen Unzulänglichkeiten entweder als Charakterschwäche interpretierten oder den Ton als unpassend für eine Präsidentschaftskampagne empfanden?
Im Sommer 2007 erwies sich die offensive Michelle als Glücksfall für Barack. Wenn es um Fairness ihm gegenüber geht, kann sie kämpfen wie eine Löwin. Amerika führte damals die für Außenstehende etwas sonderbare Debatte, ob Barack «schwarz genug» sei, um die Stimmen der Afroamerikaner zu gewinnen. Sein Vater war ein Gaststudent aus Kenia, die Mutter eine Weiße aus Kansas. Barack war also streng genommen nur zur Hälfte ein Schwarzer. Doch im Kern ging es nicht um die Pigmentierung seiner Haut, sondern um die Frage, ob er nicht ganz anders geprägt sei als die Afroamerikaner, die im Slum einer US-Großstadt aufwachsen? Dort spielen Rassengegensätze eine große Rolle, man muss sich im Kampf gegen weiße Polizei und die Gangs anderer Gruppen behaupten. Barack war auf dem vergleichsweise harmonischen Hawaii aufgewachsen. Der Kern der Zweifel lautete: Ist so einer wie er, der an der weißen Eliteuniversität Harvard in Jura promoviert und eine «typisch weiße» Politikerkarriere gemacht hat, überhaupt noch «einer von uns»? Macht der nicht längst gemeinsame Sache mit der weißen Oberschicht?
Michelle schlug diese
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