Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
Kandidatur für die Demokratische Partei wie im Hauptwahlkampf gegen den republikanischen Rivalen spielten plötzlich Eheprobleme seiner Konkurrenten eine Rolle. Wenige Wochen vor der Vorwahl führte Millionär Hull in den Umfragen, gefolgt von Hynes. Obama lag auf dem dritten Platz. Doch dann kamen hässliche Details aus Hulls Scheidungsakten ans Licht. Er blieb aber im Rennen. Und gegen Hynes, den anderen weißen Kandidaten, spielte Obama in den Kandidatendebatten sein Redetalent aus. Bei der Vorwahl im März 2004 siegte Barack mit sensationellen 53 Prozent.
In der Hauptwahl wiederholte sich die Geschichte von Barack im Glück. Auch der Republikaner Jack Ryan hatte mit peinlichen Details aus seinen Scheidungsakten zu kämpfen. Seine Exfrau Jeri warf ihm vor, er habe sie in Sexclubs mitgenommen und gegen ihren Willen zu intimen Handlungen vor den Augen Dritter überredet. Ryan zog schließlich seine Bewerbung zurück. Der Ersatzkandidat der Konservativen, Alam Keyes, war in der kurzen Zeit bis zum Wahltag chancenlos. Obama gewann im November 2004 den nationalen Senatssitz. Seine Ehe mit Michelle war dabei einer der entscheidenden Trümpfe.
Sie ist sein psychologischer Rückhalt in den entscheidenden Momenten. Und er vertraut ihrem Instinkt. Bereits in der Senatsvorwahl 2004 wurde der Wahlslogan «Yes, we can» erprobt, der im Präsidentschaftswahljahr 2008 in aller Munde sein würde. Damals waren sich Obamas Berater nicht so sicher, ob der Spruch nicht etwas zu simpel klinge und nur die Botschaft transportiere, auch ein Afroamerikaner könne Senator werden. Barack holte sich bei Michelle Rat. Sie folgte der Argumentation des Wahlkampfstrategen David Axelrod, dass sich die Botschaft viel umfassender für die Inspiration und Mobilisierung schwarzer wie weißer Wähler nutzen lasse. Das gab den Ausschlag für den Werbespruch.
Michelle begann bereits damals, selbst im Wahlkampf ihres Mannes aufzutreten, teils an seiner Seite, teils als Ersatz für ihn. Illinois ist mit 140000 Quadratkilometern doppelt so groß wie Bayern, der größte deutsche Flächenstaat. Barack kann nicht überall selbst hinkommen. Es war, so darf man im Rückblick sagen, ihr Probelauf für den Präsidentschaftswahlkampf. Sie nutzte 2004 ganz ähnliche Botschaften wie 2008. «Ich bin es leid, dass die Privilegierten die Politik dominieren. Die Reichen. Die Leute mit den einflussreichen Vätern.» Damals richtete sich das gegen die beiden Millionäre unter den Gegenkandidaten ihres Mannes. 2008 passte es ebenso gut auf die aktuellen Rivalen Baracks. Und sie versuchte, seine Hautfarbe als Wahlargument zu interpretieren. Zu dem Zeitpunkt saß nicht ein einziger Afroamerikaner im US-Senat.
Wenn Blicke retten können
Im Juli 2004 kam Baracks Chance, sich im ganzen Land bekannt zu machen: durch eine Rede beim Demokratischen Parteitag in Boston, zur besten nationalen Fernsehzeit. 2004 war ein Präsidentschaftswahljahr. Der viertägige Nominierungsparteitag hatte den Zweck, John F. Kerry und John Edwards offiziell als Herausforderer-Duo gegen die Amtsinhaber George W. Bush und Dick Cheney aufzustellen sowie die Partei zu mobilisieren. Am ersten Abend, dem Montag, sprach Bill Clinton, der letzte Präsident der Demokraten. Der Donnerstag, der letzte Abend, gehört stets dem Präsidentschaftskandidaten, der Mittwoch seinem Vize.
Am Dienstag sollte ein Nachwuchsstar sprechen; am Ende fiel die Wahl auf Obama – auch um ihm zu helfen, den Senats sitz in Illinois für die Demokraten zu erobern. Barack war den ganzen Tag über nervös, berichteten Mitarbeiter dem «New Yorker» 2008. Während er die Rede übte, unterbrachen ständig Berater mit Änderungsvorschlägen. Michelle beruhigte ihn durch nonverbale Kommunikation. «The look», ein bestimmter Blick zwischen den beiden, genügte. Auf sie konnte er schauen, wenn er eine Rückversicherung brauchte. Und als es an der Zeit war, auf die Bühne zu gehen, brach sie seine Anspannung ein weiteres Mal mit einer lockeren Bemerkung: «Just don’t screw it up, buddy!» – Jetzt vermassel das mal nicht, Kumpel!
Es war keine sehr lange Rede, etwa 17 Minuten. Er erzählte eine rührende Geschichte von der unwahrscheinlichen Begegnung seines Vaters, ein Gaststudent aus Kenia, mit seiner Mutter, einer Weißen aus Kansas. Von den Träumen der Großeltern für ein besseres Leben ihrer Kinder und Enkel. Von den Aufstiegschancen, die ihm die USA gegeben hatten. Und er benutzte die sozialen Verhältnisse in Chicagos South
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