Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum
nicht bereit, ihm und der Familie die Strapazen der Kampagne ein zweites Mal zuzumuten. «It’s now or never.» Diese Warnung wurde ihr von manchen Beobachtern als Arroganz ausgelegt. Baracks ehemaliger Büroleiter aus den Jahren im Landtag von Illinois, Dan Shomon, hatte schon zuvor zu dieser Interpretation einer etwas zu hochnäsigen und anspruchsvollen Michelle beigetragen. Sie habe gefunden, die regionale Politik sei unter seiner Würde, sagte Shomon im Oktober 2007 dem Magazin «Slate». «Sie dachte, er sei soooo außergewöhnlich und er werde nie Größe erreichen, wenn er in der Kommunal- oder Landespolitik stecken bleibe.»
Das Opfer
Was als Widerspruch erscheint, wenn man das eine Zitat gegen das andere setzt, ist schließlich nur die Summe ihrer Erfahrungen. Sie hatte immer das potenzielle andere Leben vor ihrem inneren Auge – wenn er nicht Politiker geworden wäre. Ein solches Leben wäre einfacher für die Ehe und für die Familie gewesen. Sie hat ja recht, wenn sie in der «stump speech», dem Kerngerüst ihrer Wahlkampfreden, immer wieder sagt: Barack und sie hätten dank ihrer guten Ausbildung ein unkompliziertes und komfortables Leben mit hohen Gehältern führen können. Aber Barack spüre eben diese soziale Verantwortung und könne da «sehr überzeugend und leidenschaftlich» sein. «Irgendwann sagt mein Gewissen: Okay, du hast recht. Wir haben eine Verpflichtung. Und wir sind in der Lage, dass wir das Opfer bringen können, auf Einkommen zu verzichten.»
Einige der Schlüsselerlebnisse, die ihre Skepsis gegen seine politische Karriere stärkten, haben Michelle und Barack öffentlich gemacht. 1999 war ein Jahr besonderer Konflikte zwischen seinen Pflichten als Ehemann und Vater einer einjährigen Tochter sowie seinen politischen Ambitionen. Er war sehr selten zu Hause, da er drei Ziele gleichzeitig verfolgte. Er bemühte sich, an allen Abstimmungstagen im Landtag in Springfield zu sein, was ihn mehrere Stunden Fahrtzeit von Chicago und zurück kostete. Der sogenannte «voting record», die Abstimmungsstatistik, ist ein entscheidender Maßstab in politischen Karrieren. Er hielt, auch aus finanziellen Gründen, an seinem Lehrauftrag als Verfassungsjurist an der Universität von Chicago fest. Und er bereitete sich darauf vor, für den US-Kongress zu kandidieren und den amtierenden Abgeordneten Bobby Rush herauszufordern. Das alles kostete Zeit. Barack beschreibt sein Verhältnis zu Michelle in jenen Monaten als ziemlich belastet. «Barely on speaking terms» seien sie gewesen – sie hätten kaum noch miteinander gesprochen. Der traditionelle Weihnachtsurlaub auf Hawaii bekam da eine besondere Symbolik als Wiedergutmachung. Doch rund um die Feiertage debattierte der Landtag eine Verschärfung der Schusswaffenkontrolle: ein Anliegen, das Obama wegen der Kriminalitätsrate in seinem Bezirk unterstützte. Während er noch mit Michelle und der 17 Monate alten Tochter Malia auf Hawaii war, wurde eine Abstimmung für den 29. Dezember angesetzt. Sein Büroleiter Shomon riet ihm dringend, zurückzukommen. Doch Barack traute sich nicht, aus Rücksicht auf seine Frau. Malia hatte nämlich eine Erkältung bekommen, und Michelle machte sich große Sorgen. Die Demokraten verloren die Abstimmung. Drei Stimmen fehlten, eine davon war die Baracks. Dass ihm der Urlaub auf Hawaii wichtiger war, erzürnte die Demokratische Partei. Die Erkältung eines Kleinkinds wurde nicht als ernsthaftes Hindernis akzeptiert. «Ich kann nicht das Wohlergehen meiner Tochter für die Politik opfern», verteidigte sich Barack vor den Medien. Vielleicht empfand er es wirklich so, er war zum ersten Mal Vater. Doch Eltern, die Erfahrung mit Kinderkrankheiten haben, fanden die Aussage übertrieben.
Wenige Monate später verlor Obama den Kampf um die Kongresskandidatur gegen Amtsinhaber Bobby Rush. Michelle hatte dieses Ziel nicht unterstützt. Und er saß mit einem Haufen Schulden da. 550000 Dollar hatte ihn die Bewerbung gekostet; die Wahlkampfspenden deckten nicht alle Ausgaben ab. Das war der Moment, wo sie ihn fast so weit hatte, die Politik aufzugeben. Er überlegte, ob er eine Professur anstreben solle. Ihm wurde auch der hochbezahlte Vorsitz in einer der wohltätigen Stiftungen angeboten, in deren Aufsichtsräten er bereits saß. Michelle wollte, dass er das Angebot annahm. Seit Herbst 2000 war das zweite Kind unterwegs: Sasha, die am 7. Juni 2001 geboren wurde.
Baracks letzte Chance
Er entschied sich jedoch gegen den Ausstieg
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