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Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum

Titel: Michelle Obama – Ein amerikanischer Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph von Marschall
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er nicht Präsident geworden wäre? In der Summe drängt sich der Eindruck auf: von allem ein bisschen.
    So ist es abermals eine Interpretationsfrage, ob man ihr diese Widersprüche vorhalten will oder sie mit ein wenig Einfühlungsvermögen zu verstehen versucht. Wer sich vor Augen führt, welch tiefgreifende Konsequenzen Baracks Berufswahl für Michelle und die Töchter mit sich brachte, der wird wohl Verständnis dafür aufbringen, dass sie seinen Weg mit gemischten Gefühlen begleitete: Oft hat sie sich überlastet, verlassen und vernachlässigt gefühlt. Dann wieder gab es euphorisierende Erfolge – und schließlich den ultimativen Triumph, die Wahl zum Präsidenten. Da ist ein gewisses Maß an Ambivalenz in den verschiedenen Phasen seiner Karriere durchaus nachvollziehbar.
    Michelle neigt mitunter dazu, sehr kategorisch zu formulieren, so als drücke sie eine Erkenntnis von ewigem Wahrheitsanspruch aus und als gebe es keine Zwischentöne. Das trägt zu dem Eindruck bei, sie widerspreche sich. In manchen Momenten ist Politik abgrundtief schlecht, in anderen dagegen das magische Mittel, um das Schicksal der ganzen Nation zum Besseren zu wenden. Deshalb ist es ratsam, ihre jeweiligen Aussagen in den zeitlichen Zusammenhang einzuordnen. Und das im doppelten Sinne: Man muss sich vergegenwärtigen, über welches Jahr sie spricht. Und wann sie die jeweilige Aussage gemacht hat.
    Im Januar 2004, als ihr Mann sich um den Senatssitz in Washington bewirbt, erzählt sie dem Reporter der «Chicago Tribune», David Mendell, sie habe Barack von Anfang an ermuntert, in die Politik zu gehen. «Ich sagte ihm: Wenn es das ist, was du wirklich tun willst, dann wirst du es, wie ich denke, hervorragend machen. Du bringst alles mit, wovon die Menschen sagen, dass sie es von ihren gewählten Vertretern erwarten.»
    Was sie im Sommer 2007, in der Frühphase des Präsidentschaftswahlkampfs, gegenüber Liza Mundy von der «Washington Post» behauptet, klingt wie das genaue Gegenteil: Barack habe die Idee einer politischen Karriere zum ersten Mal ernsthaft mit ihr diskutiert, als er sich um das Landtagsmandat bewarb, also um 1995. Und sie habe völlig entgeistert geantwortet: «Was erzählst du da? Warum in aller Welt Politik? Und natürlich war meine Reaktion: Nein, tu das bitte nicht. Wir sind frisch verheiratet, warum willst du uns das antun?» Die Darstellung, sie habe vorher nie mit Barack über eine politische Karriere gesprochen, ist, wie wir aus früheren Kapiteln wissen, nicht glaubwürdig. Ihr Mann und ihre gemeinsamen Vertrauten stützen aber die These von einer Michelle, die Politik als eine Belastung ihrer Ehe ansieht. «Michelle würde niemals (freiwillig) in die Politik gehen», schreibt Barack in «The Audacity of Hope». Newton Minow, einer der politischen Mentoren bei dessen Einstieg in die Politik, sagte 2008 über Michelle: «Sie konnte Politik nicht leiden. Punktum. Sie wollte nicht, dass er für ein Amt kandidiert. Ich weiß das, weil er es mir selbst gesagt hat.»
    Michelle zog noch mit anderen Aussagen zur politischen Rolle ihres Mannes misstrauische Kommentare auf sich. Sie hielt sich nicht an die übliche Psychologie in der Rollenverteilung zwischen Politikern und Bürgern im Wahlkampf. In der Regel bemühen sich der Kandidat und seine Frau um die Gunst der Wähler. Michelle drehte dieses Verhältnis phasenweise um. Sie äußerte sich so, als müsse nicht Barack Obama um das Vertrauen der Bürger werben, sondern als tue er der Nation einen Gefallen, indem er sich zur Wahl stelle. Sie trat nicht als Ehefrau auf, die mit einer gewissen Demut um Zustimmung für ihren Mann bittet, sondern als eine Politikergattin, der die Bürger dankbar sein sollten, dass sie ihm überhaupt die Kandidatur erlaubt hat. «Ich bin verheiratet mit der Antwort» auf eure Probleme, sagte sie am 3. Juli 2007 in Harlem. In Iowa nannte sie Barack bei mehreren Auftritten im August 2007 «den Mann, den ich lieber bei mir zuhause hätte, aber den ich zu opfern bereit bin».
    Bei manchen Zuhörern und Beobachtern formte sich das Bild einer Frau, die eigentlich sagen wollte, ihr Mann sei zu schade für die Politik. Wenn er sich schon zur Verfügung stelle, dann müsse er ganz oben an der Spitze einsteigen. Die Nation solle ihn dankbar krönen und ihm den mühsamen Auswahlprozess ersparen. Wenn Amerika ihn nicht 2008 wähle, werde das Land keine zweite Chance dazu bekommen, verkündete sie im Herbst und gegen Jahresende 2007 mehrfach; sie sei

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