Michelle Reid
wurde. Sie zwang sich, den Kopf abzuwenden, wollte einfach nicht daran denken, was bald dort passieren würde.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ruhelos sah sie sich in dem Zimmer um. Die Einrichtung besaß keinerlei Ähnlichkeit mit Leos eher traditionellen Möbeln in seinem Londoner Apartment. Hier herrschte modernes kühles Weiß vor. Die abstrakten Gemälde bildeten, zusammen mit der azurblauen Überdecke über dem Fußende des Bettes, die einzigen Farbtupfer.
Irgendwie musste sie sich ablenken, sonst würde sie unweigerlich noch eine Panikattacke erleiden. Natasha trat an die Glasfront, um die herrliche Aussicht zu genießen. Plötzlich öffnete sie sich und glitt wie automatische Türen zur Seite. Anscheinend hatte sie unwissentlich einen im Boden verborgenen Bewegungssensor ausgelöst.
Die kühle klimatisierte Villa zu verlassen und hinaus in die heiß-schwüle Nachtluft zu treten, raubte ihre einen Moment den Atem. Natasha ließ ihre Handtasche auf einen der weißen Rattantische fallen, die mit jeweils ein paar Stühlen überall auf der weitläufigen Terrasse einladend bereitstanden. Wie magisch angezogen von dem blinkenden Lichtermeer, trat sie an das weiß gestrichene Geländer.
Unter ihr erstreckte sich das nächtliche Athen. Der Anblick war so spektakulär, dass Natasha sogar kurzfristig alle ihre Sorgen vergaß. Sie hatte durchaus mitbekommen, dass die Fahrt vom Flughafen sie bergauf geführt hatte. Nur war ihr nicht klar, wie hoch die Villa tatsächlich lag.
„Willkommen in Athen“, hörte sie eine weiche samtige Stimme hinter sich sagen.
Sie hatte nicht gehört, wie Leo ins Schlafzimmer gekommen war. Nun verspannten sich ihre schmalen Schultern, als sie seine sich nähernden Schritte vernahm.
„Was denkst du?“, fragte er, trat hinter sie und legte seine Hände um ihre Taille.
„Wunderschön“, erwiderte sie so ruhig, wie es ihr möglich war. Dabei wussten sie beide, dass sie sich in seiner Gegenwart alles andere als entspannt fühlte. „Ist das da die Akropolis?“
„Mit den bekannten Vierteln Monastiraki und Plaka gleich darunter“, bestätigte er. „Da vorne liegt das Museum Zappeion Magaron und dort drüben“, er zeigte in die andere Richtung, „ist der Syntagma Platz …“
Allmählich kam ihr die Situation ein wenig surreal vor. Natasha stand ganz still und lauschte Leos melodischer Stimme, wie er ihr die Sehenswürdigkeiten von Athen präsentierte, als habe es das erotische Prickeln zwischen ihnen nie gegeben. Aber die sinnlichen Kräfte, die zwischen ihnen pulsierten, waren nicht versiegt. Dazu schmiegte er seine Brust zu sehr gegen ihren Rücken, hielt sie zu fest in seinen Armen.
Natasha fühlte sich sicher und geborgen, was in erotischer Hinsicht völlig neue Empfindungen in ihr auslöste.
„Heute Nacht ist es sehr dunkel, weil der Mond nicht scheint. Aber dort hinten kannst du die Ägäis mit den Lichtern vom Hafen von Piräus sehen.“
Es fiel ihr immer schwerer, sich auf seine Ausführungen zu konzentrieren. „Nachdem Bernice das Abendessen serviert hat, zeige ich dir auch noch den Blick von der anderen Terrasse. Aber zuerst, pethi mou , möchte ich gerne wissen, was in den letzten fünf Minuten passiert ist, dass du nun vor Angst zitterst?“
„Leo …“ Jetzt oder nie. „Ich kann das nicht tun. Ich dachte, ich könnte es, aber ich habe mich geirrt. Du musst verstehen, dass das …“
Ihre Stimme versagte, als sie sich zu ihm umwandte. Er hatte Jackett und Krawatte abgelegt und die obersten Knöpfe an seinem weißen Hemd geöffnet. Darunter kam ein kleines Dreieck gebräunter Haut zum Vorschein.
Wie nur sollte sie ihm die wichtigen Worte sagen – es ist mein erstes Mal –, wenn doch all ihre Sinne in Aufruhr gerieten, sobald sich ihr ein weiteres Detail seines Körpers enthüllte? Sie wollte ihn. Natasha verstand nicht, warum oder wieso sie sich so zu ihm hingezogen fühlte.
„Wir haben einen Deal, Natasha.“
Einen Deal. Die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst, nickte sie. „Ich weiß. Und es tut mir leid, aber …“ Oh, verdammt! Sie durfte ihn nicht ansehen, sonst würde sie den Satz nie zu Ende bringen. „Es ist zu viel, zu schnell, und ich …“
„Und du glaubst, ich würde mich wie ein rabiater Rüpel verhalten?“
„Ja … nein.“
„Was glaubst du dann, wird als Nächstes passieren?“
„Musst du so geschäftsmäßig klingen?“, fuhr sie ihn an und wich einen Schritt zurück, sodass sie mit dem Rücken gegen das
Weitere Kostenlose Bücher