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Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Mick Jagger: Rebell und Rockstar

Titel: Mick Jagger: Rebell und Rockstar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Spitz
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den Mund aufmachten, war es zu guter Letzt eine ureigene Ausdrucksform (was ziemlich paradox klingen mag, wenn man den afrikanischen Ursprung des R’n’B bedenkt). »Es ist eine Sprache, die die ganze Bandbreite der Gefühle zum Ausdruck bringen kann, von Trauer über blinden Hass bis hin zur hemmungslosen Lust«, so der mittlerweile verstorbene Autor und Musikkritiker Robert Palmer in seiner hervorragenden Untersuchung Deep Blues . »Der genuschelte und reibeisenraue Gesang, die Verzerrungen, die bewussten Schwankungen in Rhythmus und Tempo – bei all diesen Blues-Techniken geht es darum, Emotionen zu wecken und zu entfesseln. Je rauer die Stimme und je verzerrter der Klang, desto tiefer das Gefühl. Das geht zurück auf die afrikanischen Wurzeln dieser Musik, denn in Afrika hat die gesprochene Sprache ein sehr breites Klangspektrum: je tiefer die Tonlage, desto mehr Gefühl vermittelt das gesprochene Wort.«

    © Popperfoto/Getty Images
    Joe und Eva Jagger am 11. Mai 1971 auf dem Weg nach Frankreich zur Hochzeit ihres Sohnes Mick mit Bianca Pérez-Morena De Macias.
    In denselben Regalen, in denen sie die amerikanischen Rock’n’Roll-Importe fanden, entdeckten Mick und Dick Taylor Bluesplatten von Labeln wie Chess und Speciality. Weil die Cover sie faszinierten, kauften sie zum Beispiel auch Platten von Jimmy Reed oder Howlin’ Wolf sowie die neueste Scheibe von Chuck Berry, von dem Mick begeistert war, seit er Bert Sterns Dokumentation Jazz on a Summer’s Day gesehen hatte. Berry singt darin »Sweet Little Sixteen« und ist entweder im Profil zu sehen, sodass sein Gesicht dem eines Präsidenten auf einer Münze ähnelt, oder aus der Froschperspektive, wodurch er wie ein Riese wirkt – der er in gewisser Weise ja auch war. »Man konnte Platten auch direkt bei Chess Records in Chicago bestellen«, sagte Jagger. »In irgendeiner Zeitschrift hatte ich die Bestelladresse entdeckt. Und wenn ich genügend Geld hatte, orderte ich da ein paar Platten. Das war damals vergleichsweise teuer, denn in Amerika kosteten Platten einfach mehr als in England, und die Portokosten für den Überseeversand waren auch nicht ohne.«
    »Mick Jagger schickte Postanweisungen. Ich arbeitete damals in der Versandabteilung«, sagt Marshall Chess, der Sohn des Label-Mitbegründers Leonard Chess. »Ich erinnere mich, wie ich all diese Zollformulare ausgefüllt und kistenweise Platten nach England geschickt habe. Diese erste Generation der Bluesfans war richtig heiß auf die Chess-Alben.« Marshall Chess lernte Mick Jagger persönlich kennen, als die Rolling Stones 1964 während ihrer ersten US-Tour nach Chicago kamen. Und als Chess Anfang der 70er verkauft wurde, kam er offiziell zur Stones-Familie, indem er half das neue Label Rolling Stones Records aufzubauen. Damals jedoch war er noch ein Jugendlicher, der seinem Vater in den Sommerferien in der Firma zur Hand ging. Und Mick war lediglich eines von ein paar hundert eigenbrötlerischen englischen Kids, die auf Chicago Blues standen. »Es war schon was Besonderes. Es trafen nicht jeden Tag Bestellungen aus England ein«, erinnert sich Chess.
    Es dauerte oft Wochen, bis die Platten beim Besteller ankamen, was die Spannung und Vorfreude unermesslich steigerte, etwas, das die heutigen Highspeed-Downloader kaum noch nachvollziehen können. »Man wusste nicht einmal, ob einem die Platte gefallen würde, wenn sie dann endlich eintraf«, erinnerte sich Mick. Falls nicht, konnte man sie immer noch weiterverkaufen. »Wir schlossen ein Tonbandgerät an den Plattenspieler und nahmen die LPs auf Band auf, sodass wir tauschen konnten«, erklärte Taylor. »Wir waren echte Fans. Völlig besessen von der ganzen Sache.« Mick war auch immer noch ein Plattenfreak, nachdem er bereits seine ersten Singles und Alben aufgenommen hatte. »Ich weiß noch, wie ich ihn in seinem Haus am Cheyne Walk besuchte«, sagt Chess. »In seinem Wohnzimmer stand ein langer Tisch, und ganz am Ende war ein Drehteller, auf dem sich die Platten stapelten. Es war ein bisschen Zydeco dabei und natürlich Blues. Eine Menge richtig cooles Zeug lag auf dem Tisch. Es gibt nur wenige Weiße, die wissen, was Zydeco ist. Er legte diesen Song von Clifton Chenier auf, ›Black Snake Blues‹. Das war eine echte Rarität. Ich kenne außer ihm keinen Weißen, der diese Platte besaß.«
    Blues war sexy. Er verursachte Herzrasen. Der Rhythmus nahm einen einfach gefangen. Und die Lyrics steckten voller leicht entschlüsselbarer

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